Menschenwürdige Arbeit und menschenwürdiges Einkommen

Gastbeitrag zum Internationalen Tag der Kooperativen 2019

Cristian Gusmán Merlos und Julia Rosario Salinas von der nicaraguanischen Frauen-Kooperative 'Las Diosas' – die Göttlichen | © Sean Hawkey

Weltweit profitieren rund 1,5 Millionen Produzent*innen von der Zugehörigkeit zu einer Fairtrade-Kooperative – so wie Cristian Gusmán Merlos und Julia Rosario Salinas von der nicaraguanischen Frauen-Kooperative 'Las Diosas' – die Göttlichen | © Sean Hawkey

Ein Gastbeitrag von Gelkha Buitrago, Direktor für Standards & Preisgestaltung, Fairtrade International

Es gibt ein Sprichwort: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“  Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass Menschen mehr erreichen können, wenn sie zusammenarbeiten. Dies ist das Prinzip einer Genossenschaft oder Kooperative. Durch die Zusammenarbeit, die Bündelung von Ressourcen, Erfahrungen, Fähigkeiten und einer gemeinsamen Vision sowie eine gerechtere Gewinnteilung sind Fairtrade-Kooperativen besser in der Lage, sich in einem – meistens – ungerechten Handelsumfeld zu behaupten. Basierend auf gemeinsamen Werten wie Selbsthilfe, Selbstverantwortung, Demokratie, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität verändern Kooperativen so die Mechanismen des globalen Handels.

Mehr als 1.400 kleine Fairtrade-Produzentenorganisationen in 73 Ländern feiern am 6. Juli den Internationalen Tag der Kooperativen zum Thema „Menschenwürdige Arbeit“. Im Durchschnitt hat jede Kooperative rund 260 Mitglieder. Die Größe der Fairtrade-Kooperativen variiert allerdings enorm – die kleinste hat lediglich zwei Mitglieder, während die größte mehr als 90.000 hat. Damit profitieren weltweit rund 1,5 Millionen Produzent*innen von der Zugehörigkeit zu einer Fairtrade-Kooperative – einschließlich des Sicherheitsnetzes mit Fairtrade-Mindestpreis und Fairtrade-Prämie.

Kooperativen und nachhaltige Entwicklung

Das achte UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG) zielt auf menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum ab. Die Philosophie von Fairtrade ist, dass ein existenzsicherndes Einkommen eine wesentliche Säule von menschenwürdiger Arbeit ist – sie sind zwei Seiten derselben Medaille. Ein angemessenes Einkommen ist ein grundlegendes Menschenrecht, aber Millionen von Produzent*innen und Arbeiter*innen in den Ländern des Globalen Süden verdienen nicht einmal genug, um sich existenzielle Dinge wie Lebensmittel, Unterkunft und Bildung leisten zu können – geschweige denn Rücklagen für unerwartete Ereignisse oder eine Altersvorsorge zu bilden. Der Preis für Produkte wie Kaffee, Tee, Kakao und Bananen ist einfach zu niedrig. Dies führt wiederum dazu, dass auch ihre Arbeitnehmer*innen nicht angemessenen entlohnt werden.

Deshalb sind Kooperativen so wichtig. Sie geben ihren Mitgliedern die Möglichkeit, ihre Verhandlungsposition zu stärken, Zugang zu Kredit-, Versicherungs- und anderen Finanzdienstleistungen zu erhalten und selbst zu entscheiden, wie sie die Fairtrade-Prämie investieren. Für Frauen kann der Beitritt zu einer Fairtrade-Kooperative der erste Schritt in Richtung Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung sein.

Kooperativen schaffen Mehrwert

Nehmen wir die 470-köpfige Koperasi Kopi Wanita Gayo – eine Kaffeekooperative in Indonesien. Es ist die erste Kaffeekooperative Südostasiens ausschließlich für Frauen und sie soll Frauen ein Mitspracherecht in dieser zutiefst konservativen und von Männern dominierten Region geben. Im ersten Handelsjahr produzierte sie 13 Tonnen Kaffee. Mit der erwirtschafteten Fairtrade-Prämie möchte die Kooperative ein Gesundheitszentrum bauen sowie einen Krankenwagen für die lokale Bevölkerung bereitstellen.

In Malawi investierte die Sukambizi Association, eine Fairtrade-Teekooperative mit mehr als 8.000 Mitgliedern, einen Teil ihrer Fairtrade-Prämie in essentielle Angebote für Kinder – darunter auch zwölf Schulgebäude in unterschiedlichen Dörfern. Außerdem bauten sie auch ein Geburtshaus, kauften einen Krankenwagen und versorgten mehr als 4.000 Familien mit sauberem Wasser.

In der Elfenbeinküste ist Awa Bamba, Generaldirektorin einer über 3.000 Mitglieder umfassenden Kakao-Kooperative, eine der ersten Absolventinnen der Fairtrade Women's School of Leadership. Unter ihrer Leitung wurde die Produktion fast verdoppelt und außerdem hat sie für die Kleinbäuerinnen und -bauern weitere Einnahmequellen wie Hühnerfleisch und Eierproduktion geschaffen. Mit der Fairtrade-Prämie hat die Kooperative ein Gemeinschaftsradiosender, Kindergärten und ein Mikrokreditprogramm auf die Beine gestellt.

Diese Beispiele sind nur drei von vielen tausend auf der ganzen Welt. Aber sie zeigen, wie das Modell der Fairtrade-Kooperativen den Mitgliedern hilft, menschenwürdige Arbeit zu finden. Realität ist allerdings auch, dass viele Kleinproduzentinnen und -produzenten in ihrer Armut gefangen bleiben. Aus diesem Grund hat Fairtrade Anfang des Jahres seinen Standard für Kleinbauern überarbeitet, der zum 1. Juli 2019 in Kraft tritt. Die Überarbeitung bringt vielen Produzent*innen große Vorteile. Beispielsweise, um widerstandsfähiger gegen die Ausschläge des Markts oder gegen die Auswirkungen des Klimawandel zu werden. Begleiten Sie uns und tausende Fairtrade-Kooperativen auf der ganzen Welt, wenn wir den Internationalen Tag der Kooperativen und die Kampagne für menschenwürdige Arbeit und ein angemessenes Einkommen feiern.