Kinderrechte
Faire Handelsstrukturen zur Bekämpfung von Kinderarbeit
Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gibt es weltweit 160 Millionen Kinderarbeiter*innen zwischen fünf und 17 Jahren. Das heißt, sie müssen unter Bedingungen arbeiten, die sie ihrer elementaren Rechte und Chancen berauben. Mehr als die Hälfte von ihnen, 79 Millionen, müssen unter Bedingungen arbeiten, die gefährlich oder ausbeuterisch sind. Hierzu zählen Sklaverei, der Einsatz von Kindersoldaten und Arbeit, die die Gesundheit und Sicherheit gefährdet, also zum Beispiel Arbeit in Steinbrüchen, das Tragen schwerer Lasten oder sehr lange Arbeitszeiten und Nachtarbeit.
Unser Ansatz
Fairtrade unterscheidet nach Definition der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zwischen arbeitenden Kindern und ausgebeuteten Kinderarbeitern. Fairtrade erkennt die Notwendigkeit an, dass Kinder ihren Familien bei der Arbeit helfen. Dabei ist es wichtig, dass diese Kinder weiterhin zur Schule gehen können und in ihrer Entwicklung nicht eingeschränkt werden.
Ausbeuterische Kinderarbeit sowie Zwangsarbeit sind im Fairtrade-System verboten. Fairtrade verpflichtet sich dazu, durch seine Standards,Programme, und die Mitarbeiter*innen der Produzentennetzwerke vor Ort, Kinder zu schützen.
Fairtrade unterstützt Produzentenfamilien im Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit und setzt sich dafür ein, dass den Kindern eine angemessene Schulbildung ermöglicht wird.
Zahlen und Fakten
Mehr als 160 Mio. Kinder zwischen 5 und 17 Jahren müssen regelmäßig verbotene Kinderarbeit leisten.
79 Millionen von ihnen arbeiten unter extrem ausbeuterischen Bedingungen.
70% der Kinder arbeiten in der Landwirtschaft.
Fairtrade hat das Ziel, die Grundursache von Kinderarbeit zu bekämpfen: die Armut. Durch stabile Mindestpreise und einer zusätzlichen Prämie für Gemeinschaftsprojekte ermöglicht Fairtrade Produzent*innen Wege aus der Armut. Zu den Prämien-Projekten zählen auch solche, die dem Kindeswohl zugutekommen, beispielsweise der Bau von Schulen, Spielplätzen oder die Finanzierung von Stipendien.
Allerdings kann keine Organisation und kein Zertifizierungssystem eine 100%ige Gewähr dafür leisten, dass ein Produkt frei von Kinderarbeit ist.
Kinderrechte in den Fairtrade-Standards
Das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit ist Teil der Fairtrade-Standards. Die maßgeblichen Richtlinien in den Fairtrade-Standards zum Thema Kinderarbeit sind die ILO-Kernarbeitsnormen 138 (Mindestalter für Beschäftigung) und 182 (schlimmste Formen der Kinderarbeit).
- Kinder unter 15 Jahren dürfen bei Fairtrade-zertifizierten Organisationen nicht angestellt werden. Zudem dürfen Kinder unter 15 Jahren ihren Eltern nur dann bei der Arbeit helfen, wenn dies nach der Schule oder in den Ferien geschieht und sichergestellt werden kann, dass die Kinder nur leichte Arbeiten verrichten.
- Arbeiter*innen unter 18 Jahren dürfen keine potentiell gefährlichen oder ausbeuterischen Arbeiten verrichten.
Prävention und Aufklärung
Um Kinderrechte zu stärken, liegt ein Schwerpunkt bei Fairtrade auf Prävention und Aufklärung. Ausbeuterische Kinderarbeit soll verhindert werden, bevor sie entsteht. Fairtrade-Produzentenorganisationen müssen Risikoanalysen durchführen und je nach Ergebnis gezielt Kontrollsysteme verwenden sowie systematisch auf Verstöße reagieren.
Fairtrade-Produzentenorganisationen sind verpflichtet, eine Risikoanalysedurchführen. Liegt die Produzentenorganisation in einem Land, in dem die Wahrscheinlichkeit von Kinderarbeit sehr hoch ist oder handelt es sich um ein Produkt mit einem Risiko für Kinderarbeit (hierbei orientiert sich Fairtrade u.a. an der Liste des US-amerikanischen Arbeitsministeriums „Watch List for Child and Forced Labour“), oder wenn Fälle von Kinderarbeiten schon in der Organisation vorgekommen sind, muss die Organisation Maßnahmen ergreifen.
Wenn eine Risikoanalyse ergibt, dass die betreffende Produzentenorganisation Maßnahmen gegen Kinderarbeit ergreifen sollte, schließt dies die Einführung von Richtlinien ein, mit denen sich die Organisation eindeutig gegen ausbeuterische Kinderarbeit positioniert, sowie die Erarbeitung eines internen Kontrollsystems (ICS). Mit diesem Überwachungs- und Abhilfesystem (Monitoring and Remediation System) werden gefährdete Kinder innerhalb der Produzentenorganisation identifiziert und können entsprechend besser geschützt werden. Im Falle eines Verstoßes kann somit schnell im Sinne des Kindeswohls reagiert werden.
Fairtrade legt Wert darauf, dass Maßnahmen, um ausbeuterische Kinderarbeit zu verhindern, von den Produzent*innen selbst entwickelt und umgesetzt werden. Berater*innen der Produzentennetzwerke unterstützen die Produzentenorganisationen, vermitteln Fachwissen und geben Trainings.
Wird in einer Produzentenorganisation gegen die Fairtrade-Standards zu Kinderarbeit verstoßen, werden sofort Maßnahmen ergriffen, um die betroffenen Kinder zu schützen. Alle Vertreter*innen der Produzentennetzwerke vor Ort sind verpflichtet, sämtliche Fälle von Kindesmisshandlung und Ausbeutung unverzüglich bei Fairtrade International zu melden und sowohl die Behörden vor Ort als auch Kinderschutzorganisationen zu informieren, um das Wohlergehen der betroffenen Kinder sicherzustellen. Dabei arbeitet Fairtrade mit internationalen und lokalen Kinderrechtsorganisationen zusammen (u.a. UNICEF und Save the Children). Bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Standards kann die jeweilige Produzentenorganisation suspendiert und am Ende, als letztem Schritt, dezertifiziert werden.
Wenn ein Fall von Kinderarbeit bei einer Produzentenorganisation entdeckt wird, ist das kein Gesichtsverlust, sondern zeigt, dass das System, das dort implementiert wurde, gut funktioniert. Denn es geht nicht um das Abhaken von Checklisten – vielmehr ist der Schutz der Kinder ein kontinuierlicher Lernprozess.
Darüber hinaus: integrativer Ansatz
Zusätzlich zu den Maßnahmen zu Prävention und Aufklärung verfolgt Fairtrade einen integrativen Ansatz, um ausbeuterischer Kinderarbeit vorzubeugen: Das sogenannte „Youth Inclusive Community Based Monitoring and Remediation System“ (YICBMR) – zu Deutsch so viel wie „Jugendintegratives gemeinschaftsbasiertes Überwachungs- und Abhilfesystem“. Der Ansatz wurde in 2014 von Fairtrade International ins Leben gerufen. Mittelerweise wurde der Einsatz in 18 Ländern durchgeführt, darunter Kakaokooperativen aus Westafrika, Kaffee und Zuckerkooperativen aus Mittel und Südamerika sowie Baumwollproduzenten aus Indien.
Der Ansatz ist besonders nachhaltig, da Jugendliche in den Produzentenorganisationen und Gemeinden ausgebildet und in den Prozess aktiv eingebunden werden. Dadurch bringen sie ihre eigenen Perspektiven und Ideen ein. Neben der Aufklärungsarbeit liegt ein Fokus der Jugendlichen darauf, eine Umfrage in ihrer Gemeinde zu möglichen Risiken für Kinder durchzuführen. Im nächsten Schritt werden Handlungsempfehlungen zur Beseitigung dieser Risiken erarbeitet, so dass die Kinder in einem sicheren Umfeld aufwachsen.
Im Rahmen des Projekts soll die Schulbildung der Kinder gefördert werden. Die Produzentenorganisationen setzen zum Beispiel die Fairtrade-Prämie dafür ein, Schulen vor Ort besser auszustatten, Schulwege für die Kinder zu erleichtern oder Stipendien für Schüler*innen zu vergeben.