Mythos #10
„Der Kauf von Fairtrade-Produkten löst alle Probleme von Bäuerinnen, Bauern und Arbeitskräften.“
Die Erwartungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern an Fairtrade sind sehr hoch. Im Gegensatz zu anderen Auslobungen basiert das Fairtrade-Siegel auf internationalen Standards, die in Einbeziehung verschiedener Akteure entwickelt werden. Unabhängige Studien bestätigen:
- Höhere, stabilere Einkommen für Mitglieder von Fairtrade-Kooperativen
- Stärkere demokratische Interessenvertretungen
- Mehr ländliche Entwicklung
- Bessere Arbeitsbedingungen auf Plantagen
- Höhere Produktivität, bessere Qualität
Die Studien haben jedoch auch klare Voraussetzungen dafür erkannt, dass die Fairtrade-Zertifizierung für die Kleinbauernorganisationen relevante Wirkungen zeigt. Dazu zählen unter anderem ein Absatz ihrer Produkte zu Fairtrade-Bedingungen von mindestens 30 Prozent und eine gut entwickelte Organisationsstruktur. Eine starke Kleinbauernorganisation ist demokratisch organisiert und die internen Prozesse sind transparent.
Mit Hilfe unserer „Theorie des Wandels“ überprüfen wir, ob Fairtrade tatsächlich zu einem Wandel beiträgt. Dafür werden Daten in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales erhoben (Monitoring) und ausgewertet (Evaluierung). Auch die Ergebnisse der verschiedensten internen und externen Wirkungsstudien zu Fairtrade werden systematisch ausgewertet und mit der „Theorie des Wandels“ gespiegelt. So entwickelt und verbessert sich Fairtrade im Sinne der Produzentenorganisationen kontinuierlich weiter.
Nichtsdestotrotz können die Probleme, mit denen Bäuerinnen, Bauern und Arbeitskräfte konfrontiert sind, nicht durch den Kauf einer Tafel Fairtrade-Schokolade oder einer Packung Fairtrade-Kaffee gelöst werden. Oft haben jahrelange Niedrigpreise den Bäuerinnen und Bauern die Grundlagen für bessere Produktion und Prozesse geraubt. In vielen Bereichen ist die Lieferkette monopolisiert, was zu einer hohen Machtkonzentration zu Ungunsten der Kleinbauernorganisationen und Beschäftigten führt. Die oft vorherrschende politische Instabilität, der Unwille oder die Unfähigkeit der Regierungen für Verbesserungen in der Landwirtschaft in sozialen, gesundheitlichen oder arbeitsrechtlichen Bereichen, mangelnde Infrastruktur, keine Lobby auf nationaler und internationaler Ebene, klimabedingte Probleme und vieles mehr kommen hinzu.
Fairtrade ist auch über den Bereich des An- und Verkaufs von Fairtrade-Produkten hinaus aktiv und unterstützt Bauern und Arbeitskräfte beispielsweise bei der Bekämpfung von ausbeuterischer Kinder- und Zwangsarbeit, der Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels, dem Zugang zu tragbaren Finanzierungsoptionen und der Wahrnehmung ihrer Rechte.
Und trotzdem: Fairtrade ist nur einer von vielen benötigten Bausteinen in dem komplexen Ziel der Armutsbekämpfung und nachhaltigen Entwicklung. Vor allem braucht es eine kohärente Wirtschafts-, Handels-, Agrar-, Umwelt- und Entwicklungspolitik im globalen Norden. Weitere Bausteine sind u.a. mehr Wertschöpfung im Süden, Ausbau des Süd-Süd-Handels, starke Advocacy- und Lobbyarbeit im Sinne der Produzentenorganisationen und Beschäftigten.