Fairtrade-Kooperative nimmt italienische Familie auf

Fünf Monate Quarantäne in einer Kaffeekooperative in Mittelamerika

Seba, Alberta, Angela und Anna tragen Fahrradhelm und Mund-Nasen-Schutz.

Fast fünf Monate verbrachte die Familie bei der Kaffeekooperative Los Pinos in El Salvador.

Eigentlich sollte es nur ein kurzer Abstecher über den „kleinen Daumen Amerikas“ auf dem Weg nach Kalifornien werden. Mit einer globalen Pandemie und einem landesweiten, mehrere Monate andauernden Lockdown rechnen Seba, Alberta und die Töchter Angela und Anna nicht, als sie 2016 das Projekt Biocycling ins Leben rufen, um Lateinamerika mit dem Fahrrad zu bereisen.

Gestrandet in El Salvador

Über vier Jahre, elf Länder und 24.500 Kilometer später wird El Salvador, das kleine Land an der Pazifikküste, zur vorläufig letzten Etappe der vierköpfigen Familie. Aus Sorge vor einer Ausbreitung von Covid-19 schließt die Regierung des Staates am elften März die Landesgrenzen und die Flughäfen für den Passagierverkehr. Viele Tourist*innen sitzen von heute auf morgen fest. Ohne zu wissen, wann eine Weiterreise möglich sein wird, müssen Seba und Alberta einen sicheren Ort für die Zeit des Lockdowns finden. In der Not wendet sich die Familie an die Fairtrade-Kaffeekooperative Los Pinos. Trotz der Herausforderungen, die eine Beherbergung ausländischer Tourist*innen inmitten der Quarantäne mit sich bringt, öffnen die Kaffeebäuerinnen und Kaffeebauern von Los Pinos ihre Türen und nehmen die Familie aus Italien bereitwillig auf.

Gelebte Solidarität – die Essenz des fairen Handels

Die Kooperative Los Pinos, die seit 2008 Fairtrade-zertifiziert ist, liegt im Nordwesten des Landes mit Blick auf den Coatepeque-See, einen der schönsten Naturseen Mittelamerikas. Zusätzlich zum Kaffeeanbau unterhält Los Pinos ein kleines Tourismusprojekt mit einigen Hütten sowie einem Restaurant, das zusätzliche Arbeitsplätze schafft. Seit Beginn der Corona-Pandemie sind Restaurant und Gästehäuser jedoch geschlossen. „Die aktuelle Krise hat die gesamte Wirtschaft des Landes in Mitleidenschaft gezogen, auch unsere Organisation“, erzählt Sigfredo Benitez, Generaldirektor von Los Pinos. „Wir mussten einige Beschäftigte nach Hause schicken. Die noch ausstehenden Löhne haben wir mithilfe der Fairtrade-Prämie auszahlen können. Das Personal, das sich eigentlich um die Gäste kümmert, hat kurzfristig auf den Kaffeefeldern und bei der Weiterverarbeitung ausgeholfen.“

In der Krise zeigt sich die Stärke des fairen Handels

Obwohl der Kooperative die Einnahmen aus dem Tourismus fehlen, geht es den Mitgliedern verhältnismäßig gut – anders als den meisten Menschen in El Salvador. „Als wir vor ein paar Wochen einen Ausflug in die Kaffeeverarbeitungsanlage unternommen haben, sind uns auf der Straße Menschen begegnet, die um Nahrung betteln“, erzählt Alberta. „Die Pandemie und die damit verbundene Quarantäne hat Arbeiterinnen und Arbeiter im ganzen Land in ernste Schwierigkeiten gebracht. Der Kaffeekooperative und ihren rund 300 Familien geht es deutlich besser. In der Krise zeigt sich, wie widerstandsfähig und stark der faire Handel Produzent*innen macht“, so die Italienerin. Etwa 90 Prozent des angebauten Kaffees wird exportiert, unter anderem nach Deutschland. Kämpfen muss die Kooperative dennoch, nicht erst durch den Ausbruch der Corona-Pandemie. Vor allem die Auswirkungen des Klimawandels erschweren den Kaffeeanbau seit Jahren: Fehlender Regen, Überschwemmungen und zunehmende Schädlinge lassen die Ernten zurückgehen und die Gewinne sinken. „Dass wir trotz des Produktionsrückgangs in den letzten Jahren überlebt haben, verdanken wir dem fairen Handel“, sagt Don Manuel Vanegas, Leiter des Gewächshauses der Kooperative. „Dem fairen Handel und Gott“, korrigiert sich Venegas. Ohne die Einnahmen aus dem Tourismus könnte es für die Kooperative in Zukunft allerdings schwer werden. Schließlich hat sich dieser zu einer wichtigen zusätzlichen Einnahmequelle entwickelt.

Nach fünf Monaten zurück in die Heimat

Werbung für einen Besuch auf der Kaffeekooperative werden Seba, Alberta, Angela und Anna sicher genug machen – auch wenn für die Familie nach fast fünf Monaten Quarantäne feststeht, dass sie Lateinamerika den Rücken kehren und nach Italien zurückkehren wollen. Ende August werden sie heimkehren und das Projekt Biocycling vorerst beenden. Bis dahin genießen die vier die atemberaubende Landschaft der Kaffeeberge, die Gastfreundschaft und Solidarität der Gemeinschaft und den köstlichen Kaffee in vollen Zügen. Einen besseren Kaffee als den aus dem eigenen Vorgarten in El Salvador werden sie vermutlich nicht so schnell bekommen.