Hintergrund zu Fairtrade-Baumwolle und Fairtrade-Textilstandard

Fast und Ultrafast Fashion gehören zu den erfolgreichsten Geschäftsmodellen der vergangenen Jahre. Gemeint sind immer neue Kollektionen und ständig wechselnde Trends – Kleidung, die so billig ist, dass sie nur wenige Male getragen wird, bevor sie in den Tiefen des Kleiderschrankes oder im nächsten Altkleidersack landet. Aktionen wie Sommer- und Winterschlussverkauf, Mid Season Sale oder Black Friday versprechen zusätzliche Rabatte. Nicht selten kalkulieren Unternehmen diese bereits beim Einkauf ein und drücken die Preise bei den zuliefernden Betrieben. Das Ergebnis: Wir kaufen mehr, zahlen weniger und tragen die Kleidungsstücke immer kürzer. Aber auf wessen Kosten?

Fast Fashion – Ausbeutung auf ganzer Linie

Dass Mode immer billiger wird, ist eigentlich paradox: Der Großteil unserer Kleidung kommt von weit her. Etwa 90 Prozent werden im Ausland produziert. China, Bangladesch und Türkei zählen zu den wichtigsten Kleidungshersteller*innen weltweit, gefolgt von Indien und Pakistan. Bis ein Baumwoll-T-Shirt in unseren Läden hängt, legt es bis zu 20.000 Kilometer zurück; bis zu 100 Arbeitsschritte sind für die Produktion notwendig. Die textile Lieferkette ist lang, komplex und oft undurchsichtig – kein Wunder, dass Textilien zu den Importprodukten mit dem zweitgrößten Risiko für Menschenrechtsverletzungen zählen. Die strukturelle Ausbeutung zieht sich durch die gesamte Lieferkette: Angefangen von Zwangsarbeit und ausbeuterischer Kinderarbeit auf den Baumwollfeldern, über sexuelle Gewalt, schlechte Bezahlung bis hin zu fehlenden Arbeitsverträgen und horrenden Überstunden in Asiens Textilfabriken.

100 Millionen Farmer*innen weltweit bauen Baumwolle an

Eine der beliebtesten Naturfasern für die Herstellung von Textilien ist Baumwolle. Mit gutem Grund: Die Fasern sind nicht nur atmungsaktiv, sondern auch widerstandsfähig und saugfähig. Rund 100 Millionen Farmer*innen weltweit bauen Baumwolle an. Gerade für Menschen in Ländern des Globalen Südens ist der Anbau eine wichtige Einnahmequelle. Neben den USA und China ist Indien einer der größten Exporteure der Welt. Anders als in den USA, wo Baumwolle auf riesigen Plantagen angebaut wird, sind es hier vorwiegend Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die die Fasern anbauen. Da Baumwolle an der Börse gehandelt wird, sind Produzent*innen den Schwankungen des Marktes ausgesetzt: Ist das Angebot groß, sinkt der Preis. Weil die Marktpreise oft niedrig sind und die Einkommenssituation entsprechend schlecht ist, ist Kinderarbeit ein großes Problem. Baumwolle gehört zu den Produkten mit dem häufigsten Vorkommen von Kinderarbeit.

Fairtrade verbietet ausbeuterische Kinderarbeit ausdrücklich. Um die Familien vor Preiseinbrüchen zu schützen, erhalten sie einen Mindestpreis als Sicherheitsnetz. Für jede Tonne Baumwolle, die sie zu Fairtrade-Bedingungen verkaufen, bekommen sie zudem einen finanziellen Aufschlag für Gemeinschaftsprojekte. Seit Beginn der Corona-Pandemie können die Prämiengelder auch für Schutzmaßnahmen oder als zusätzliches Einkommen ausbezahlt werden. Mehr Infos zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Baumwollanbau im Magazin Change Fashion .

Ein Standard für die gesamte textile Lieferkette

Neben dem Baumwollstandard gibt es seit 2016 einen weiteren Fairtrade-Standard speziell für Textilien. Der Textilstandard gilt als umfassendster und strengster Standard auf dem Markt. Er deckt die gesamte textile Lieferkette ab - vom Anbau der Baumwolle bis zum fertigen Kleidungsstück:

  1. Anbau der Baumwolle: Rund sechs Monate braucht die Baumwolle bis zur Ernte.
  2. Entkörnung: Hier werden Baumwollfasern maschinell von den Samen getrennt und gereinigt. 
  3. Spinnen: In Spinnereien werden die Baumwollfasern zu Garnen verarbeitet.
  4. Stricken/Weben: Aus dem Garn wird ein Gewebe, ein Stoff.
  5. Textilveredelung: bezeichnet die chemische Behandlung der Stoffe, unter anderem das Färben, Bedrucken, Imprägnieren und Bleichen etc.
  6. Konfektionierung: In diesem Schritt werden die Stoffe zugeschnitten, zusammengenäht, gebügelt und gefaltet, bis ein fertiges Kleidungsstück entsteht.

Eines der wichtigsten Kernelemente des Textilstandards sind existenzsichernden Löhne, die vermutlich größte Herausforderung im Textilsektor und das Nadelöhr, selbst für engagierte Unternehmen. Das Problem: Trotz staatlicher Mindestlöhne können viele Arbeiter*innen ohne Überstunden nicht von ihrem Lohn leben. Je nach Land liegt der staatliche Mindestlohn noch unter der von der Weltbank definierten Armutsgrenze von etwa 1,90 US-Dollar am Tag. 14-Stunden-Schichten sind daher keine Seltenheit in der Textilbranche. Der Fairtrade-Textilstandard ist der erste Standard, der existenzsichernde Löhne für alle Beschäftigten innerhalb von sechs Jahren fordert. Also einen Lohn, der nicht nur die Kosten für Wohnen und Lebensmittel deckt, sondern auch Investition in Gesundheit und Bildung sowie das Sparen für Notlagen ermöglicht.

Corona-Pandemie trifft Asiens Textilindustrie mitten ins Herz

Wie wichtig ein existenzsichernder Lohn gerade in Krisen-Zeiten ist, hat die Corona-Pandemie deutlich gezeigt: In der ersten Hälfte des Jahres 2020 brach die Bekleidungsindustrie praktisch zusammen. Textilimporte aus Asien brachen um bis zu 70 Prozent ein. Tausende Zulieferbetriebe mussten vorübergehend oder dauerhaft schließen, massenhaft Arbeiter*innen standen von heute auf morgen auf der Straße – ohne Job und ohne finanzielle Rücklagen. „Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren oder nicht bezahlt zu werden, die generelle Unsicherheit und die Sorge vor einer möglichen Ansteckung waren zu Beginn der Pandemie riesig“, erklärt Sethulakshmy Chakkenchath, Fairtrade-Beraterin für Arbeitsrechte in Indien. „Gerade Wanderarbeiter hatten es schwer. Überall in den Medien wurde darüber berichtet, wie sie hunderte von Kilometern zurück in ihre Heimatstädte liefen, weil der Transportsektor stillstand.“ Selbst nach Öffnung der Fabriken wurden nach Schätzung der ILO im Schnitt nur drei von fünf Arbeiter*innen wiedereingestellt.

Höhere Löhne sind allerdings nur ein Schritt, um Arbeiter*innen und damit verbunden die gesamte Branche krisenfest zu machen. Auch die Stärkung der Arbeiter*innen spielt eine entscheidende Rolle. Daher setzt der Textilstandard, neben klaren Vorgaben für alle Produktionsschritte, auf Fortbildungs- und Trainingsprogramm für die Beschäftigten. Denn nur wenn Beschäftigte ihre Rechte kennen, können sie diese selbstbestimmt einfordern und beispielsweise gegen fehlende Sicherheitsmaßnahmen in der Pandemie aufmerksam machen.

 

Fairtrade-Textilstandard und -programm

Die Animation zeigt, dass der Fairtrade-Textilstandard und das Textilprogramm ein umfassender Ansatz zur Stärkung von Arbeiterinnen und Arbeitern sind und zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie.

Nun ist Zeit für eine Fashion Revolution!

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