Statement zum Spiegel-Artikel „Die Billionen-Bohne“

Mehr Wertschöpfung in den Süden

Im Spiegel-Artikel „Die Billionen-Bohne“ beleuchten die Autoren kritisch Kaffeeindustrie und Kaffeekonsum und deren negativen Folgen für die Menschen in den Anbauländern.


Es ist wichtig, dass die Thematik ungleicher Machtverhältnisse in globalen Lieferketten wieder stärker auf die Agenda gehoben wird. Die Probleme von Preisdruck und Machtkonzentration zu Ungunsten derer am Anfang der Lieferkette herrschen nicht nur im Kaffeeanbau sondern finden sich auch bei anderen global gehandelten Produkten, von der Banane über Kakao bis zu Textilien. Der faire Handel stärkt die Position der Kaffeebauern. Viele Organisationen produzieren nicht nur für den Export sondern verarbeiten den Kaffee für den lokalen Markt. Über die Zertifizierung hinaus ist Fairtrade politisch aktiv. Die Wertschöpfung in den Anbauländern muss ausgebaut werden und darf nicht durch Importzölle bestraft werden. Es braucht politische Rahmenbedingungen, die fairen Handel zum Alltagshandeln macht, beispielsweise durch eine nachhaltige Mehrwertsteuer.

Ziel des fairen Handels ist es, ein stabiles Auskommen und Entwicklungschancen für die Kleinbauern im Kaffeeanbau sowie den anderen Produktbereichen zu schaffen. Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Mechanismen: Beispielsweise der Zusammenschluss der Bauern in demokratisch strukturierten Organisationen. So stärken sie ihre Verhandlungsposition, bündeln Aufgaben, Logistik und Administration und professionalisieren sich. Der Fairtrade-Mindestpreis dient als Sicherheitsnetz gegen die schwankenden Weltmarktpreise. In den letzten zwei Jahren lag der Weltmarktpreis mehrheitlich unter dem Mindestpreis, der so als Schutzmechanismus griff, um die Kosten für eine nachhaltige Produktion zu decken. Die zusätzliche Fairtrade-Prämie dient gemeinschaftlichen Entwicklungsprojekten: 

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Die Kaffeeorganisationen entscheiden selbständig, worin sie die Gelder investieren wollen, ob bspw. in Infrastruktur, Bildungs- oder Gesundheitsprojekte. Ein Viertel der Prämie muss zudem in Qualitätssteigerung investiert werden.

Höhere Fairtrade-Absätze und Marktzugang

Trotz des Sicherheitsnetzes, das der Mindestpreis darstellt, stimmen wir zu: Der Preis für Kaffee, für die Arbeit, die hinter diesem Produkt steckt, müsste höher sein. Aber wie der Artikel betont, ist die Zahlungsbereitschaft für fair gehandelte Produkte begrenzt. Die Kaffeebauern brauchen Marktzugänge, denn die Fairtrade-Zertifizierung unterstützt die Bauern in ihrer Entwicklung, aber – wie der Name „fairer Handel“ impliziert – erst über Abverkäufe über den fairen Handel kann sich dessen Wirkung entfalten. Kaffeeorganisationen erhielten durch Fairtrade-Verkäufe in Deutschland 2016 allein acht Millionen Euro Prämiengelder – zusätzlich zum Verkaufspreis. Dennoch: der Marktanteil von fairem Kaffee in Deutschland beträgt rund vier Prozent; viel Luft nach oben!

Mehr Wertschöpfung in den Süden

Jenseits der Zertifizierung verfolgt Fairtrade mehrere Strategien: Die Wertschöpfung in den Anbauländern muss ausgebaut werden: Ein Projekt, das dem im Artikel erwähnten Leuchtturmprojekt in Äthiopien sehr ähnelt, findet sich in Ruanda, wo Fairtrade-Kleinbauern ihren Kaffee ebenfalls selbst bis zur Verpackung verarbeiten. Die Professionalisierung der Fairtrade-Kaffeeorganisationen hat dazu geführt, dass viele ihre Kaffees für die

lokalen Märkte vor Ort weiterverarbeiten. Der Ausbau von Süd-Märkten und des fairen Handels innerhalb der Anbauländer ist ein Aspekt, den wir weiter fördern möchten. Auf politischer Ebene ist Fairtrade verschiedentlich aktiv: TransFair fordert derzeit in einer Petition die Abschaffung der Kaffeesteuer für fairen Kaffee. Dies würde Kaufanreize schaffen, fairen Kaffee wettbewerbsfähiger machen und würde eine konkrete Maßnahme darstellen, die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, die im Januar ratifiziert wurde, umzusetzen. Langfristig fordern wir unter anderem eine nachhaltige Mehrwertsteuer, die Produkte begünstigt, die öko-soziale Standards einhalten. Das Fair Trade Advocacy Office in Brüssel setzt sich auf EU-Ebene dafür ein, faire Handelsbedingungen zu fördern und auf die politische Agenda zu heben. Dazu gehört auch, die Abschaffung von Handelshemmnissen zu fordern, die die Anbauländer zu reinen Rohstofflieferanten degradieren. Wertschöpfung im globalen Süden darf nicht durch Importzölle bestraft werden.

Um Veränderungen anzustoßen, müssen Kräfte gebündelt werden. Fairtrade ist Impulsgeber und wirksamer Akteur – im Rahmen unserer finanziellen und personellen Kapazitäten. Ohne politische Rahmenbedingungen für eine gerechtere globale Weltwirtschaft lässt sich fairer Handel nicht zum Alltagshandeln machen.