Statement zur Studie der Universität Göttingen „Auswirkungen des Fairen Handels auf die Lebensgrundlage armer LandarbeiterInnen“

Wissenschaftler*innen der Universität Göttingen publizierten im Juli 2019 eine Studie mit dem Titel „Auswirkungen des Fairen Handels auf die Lebensgrundlage armer LandarbeiterInnen“. Untersucht wurden die Lebensverhältnisse von Beschäftigten bei zertifizierten Kakaokooperativen in der Elfenbeinküste. Die Resultate der Forschenden: Fairtrade trägt zu besseren Lebensbedingungen von Kakao-Kleinbäuerinnen und -bauern bei und verhilft Festangestellten bei Kooperativen zu besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen. Die Studie kritisiert jedoch, dass die Fairtrade-Zertifizierung die Lebensverhältnisse von Menschen, die als Saison-Arbeitskräfte bei Kleinbauern angestellt sind, nicht signifikant verbessern würden.

Nach den Ergebnissen der Studie der Universität Göttingen sollte Fairtrade-Kakaobauern in der Elfenbeinküste „eine moderate Lohnanhebung für Ihre Arbeiter*innen“ möglich sein“.
Fairtrade hat bereits 2018 zwei Studien veröffentlicht, die sich mit der prekären Einkommenssituation von Kakaobauernfamilien, insbesondere in Westafrika, befassen. (Cocoa Baseline Studie zur Wirkung von Fairtrade in der Elfenbeinküste und Ghana sowie “Cocoa Farmer Income”-Studie Report-Präsentation und Management Response.) 

Diese Studienergebnisse, die Kakao-Preisentwicklung und die Anteile der Fairtrade-Verkäufe zeigen, dass Lohnerhöhungen für die Bauern leider nicht zu stemmen sind:

Viele Bauernfamilien verdienen durch den Kakaoanbau selbst kein existenzsicherndes Einkommen

2017 brach der Kakao-Weltmarktpreis um mehr als ein Drittel ein. Die Folge waren dramatische Einkommensverluste für viele Kakaobauern – darunter auch viele Fairtrade-Kakaobauernfamilien in Westafrika: Sie können nur einen Teil der Kakaoernte unter fairen Bedingungen verkaufen (siehe nächsten Punkt). Laut der von Fairtrade beauftragten Cocoa Farmer Income Studie lebten 2018 rund 58 Prozent der untersuchten Kakaobauernfamilien selbst unter der absoluten Armutsgrenze – haben selbst also kein existenzsicherndes Einkommen. Nach einer Studie des Royal Tropical Institute für das Forum Nachhaltiger Kakao erwirtschaften sogar 87 Prozent der untersuchten Haushalte in der Elfenbeinküste kein existenzsicherndes Einkommen. Diese dramatische Lage zeigt deutlich: Kleinbauern, die selbst arm sind und kein angemessenes Einkommen verdienen, sind nicht in der Lage für ihre Saisonarbeitskräfte einen höheren Lohn zu zahlen.
Als wichtigen Schritt in Richtung existenzsicherndes Einkommen hat Fairtrade im Dezember 2018 den Fairtrade-Mindestpreis um 20 Prozent auf 2400 US $ pro Tonne Kakaobohnen erhöht. Der zusätzliche Aufschlag, die Fairtrade-Prämie, stieg ebenfalls um 20 Prozent auf 240 US-Dollar pro Tonne - die höchste festgelegte Prämie aller Zertifizierungssysteme.Die neuen Preise treten zur kommenden Ernte im Oktober 2019 in Kraft.

Kakaokooperativen brauchen dringend höhere Absätze und Fairtrade-Bedingungen

Fairtrade-Kakaokooperativen verkaufen durchschnittlich nur 35 bis 40 Prozent ihrer Ernte unter Fairtrade-Bedingungen. Zwar nahmen 2018 die Fairtrade-Kakoabsätze in Deutschland um 35 Prozent auf rund 50.000 Tonnen Kakao zu, der Marktanteil hierzulande liegt dennoch nur bei zehn Prozent. Um existenzsichernde Löhne für Arbeiter*innen von Kakaobauernfamilien zu ermöglichen, müssten die Bauern wesentlich mehr Kakao unter Fairtrade-Bedingungen absetzen, um das dafür nötige höhere Einkommen zu erzielen. Nach wie vor ist aber nur ein geringer Anteil der Schokoladenindustrie bereit, die Fairtrade-Preise für Kakao zu zahlen, so dass der Rest zu Niedrigstpreisen an den konventionellen Markt geht – was es den Kakaobauern unmöglich macht, höhere Löhne zu zahlen.

Der erhöhte Mindestpreis und -Prämie sind ein Baustein der umfassenderen Fairtrade-Strategie, die auf existenzsichernde Einkommen für Kakaobäuerinnen und -bauern hinarbeitet.
Die Kakaobauernfamilien gehören zu den schwächsten Gliedern der Lieferkette. Über das freiwillige Engagement der Kakaopartner, die mit Fairtrade zusammenarbeiten, dringend strenge gesetzliche Rahmenbedingungen nötig, um die Branche als Ganzes zu ändern, ohne dass der Druck auf die Kakaobauern noch weiter erhöht wird.