Statement zu planet e. (ZDF)
Themenschwerpunkt Tee aus Indien: „Abgebrüht – das bittere Geschäft mit dem Tee“
Am Sonntag, den 8. Oktober, hat das ZDF die Sendung planet e. erstmals ausgestrahlt. Das Dokumentationsformat mit Schwerpunkt Umwelt beschäftigte sich mit dem Thema Tee aus Indien.
In der Zwischenzeit wurde die Plantage von Fairtrade dezertifiziert. Gleichzeitig hat Fairtrade seine Arbeit in Darjeeling und Assam verstärkt, um verbesserte Lebens- und Arbeitsbedingungen zu unterstützen. Außerdem wurde eine vollständige Überarbeitung des Standards für Tee in die Wege geleitet.
Die Bilder des Filmemachers sind aufwühlend. Sie zeigen die großen Probleme, denen Fairtrade begegnet, um die Lebensumstände für Arbeiterinnen und Arbeiter auch in Konfliktregionen wie Assam zu verbessern. Sie zeigen leider auch: Noch sind die Verbesserungen, die der faire Handel anstrebt, auf der Tonganagaon-Plantage nicht so angekommen, wie wir uns das wünschen. Fairtrade agiert in Regionen und Produktbereichen, in denen vielschichtige Probleme vorherrschen; der Teeanbau in Assam und Darjeeling zählt jedoch ohne Zweifel zu den schwierigsten. Ohne bessere politische Rahmenbedingungen wird Fairtrade dies nur in kleinen Schritten ändern können.
Die Plantagen-Strukturen in Assam bestehen seit der Kolonialzeit. Die Menschen leben seit Generationen auf den Teegärten. In den letzten Dekaden wurden Investitionen zurückgefahren, viele Teegärten mangels Wirtschaftlichkeit verlassen. Die Region Assam ist zudem seit Jahrzehnten von gewaltsamen ethnischen Konflikten zerrüttet. Tonganagaon ist in diesem Kontext keine Ausnahme, im Gegenteil: Die Tonganagaon-Plantage war knapp zehn Jahre, von 2000 bis 2008, nicht in Betrieb; die ehemaligen Besitzer hatten rund 6.000 Menschen ohne Lebensgrundlage zurückgelassen. Erst seit 2008 wird die Plantage wieder bewirtschaftet. 40 Prozent der Anbaufläche waren zerstört, da die Arbeiterfamilien Teesträucher und Bäume zum bloßen Überleben abgeholzt hatten. Massive Investitionen – in die Instandsetzung, Nachzahlungen von Steuern, Mieten, Löhnen und Renten für die Jahre 2000-2008, den Aufbau von Häusern und Straßen – wurden seitdem getätigt und sind auch weiterhin für den Wiederaufbau Tonganagaons nötig.
TransFair stand bereits im Vorfeld der Dokumentation mit dem Filmemacher im Kontakt, aufgrund seiner schriftlichen Beschreibungen legte TransFair eine offizielle Beschwerde bei Flocert ein.
Fairtrade hat die Vorwürfe über die Zustände in Tonganagaon sehr ernst genommen und eine offizielle Untersuchung eingeleitet. Kurz nach der Durchsicht des ZDF-Materials führte die unabhängige Zertifizierungs-Organisation FLOCERT eine unangekündigte Auditierung durch. Die Untersuchung konzentrierte sich ausschließlich auf die Anforderungen in Bezug auf Wohnen, Hygiene und Fairtrade-Prämien-Management.
Es wurde festgestellt, dass es weiterhin Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung der Fairtrade-Prämie zugunsten der Arbeitnehmer gab. Die Plantage wurde daher mit sofortiger Wirkung dezertifiziert und ist somit derzeit aus dem Fairtrade-System ausgeschlossen.
Die Fairtrade-Standards legen fest, dass die Entscheidung über die Prämie gemeinschaftlich und demokratisch getroffen werden muss.
Die Beschäftigten Tonganagaons beschlossen, ihre Prämie in die Renovierung einer Schule, den Wiederaufbau zweier Kirchen und eines Tempels zu investieren. Außerdem wurden für alle Familien Dampfkochtöpfe, Wasserflaschen und Utensilien zur Lebensmittelaufbewahrung angeschafft sowie Moskitonetze, was in einem Risikogebiet für Malaria, Dengue und Japanischer Enzephalitis nicht zu unterschätzen ist. In 200 Familienunterkünften wurden Gasanschlüsse installiert, außerdem Fahrräder für 100 Familien finanziert. Ein großer Betrag der Fairtrade-Prämien wurde noch nicht eingesetzt: Nachdem das Geld zunächst zum Bau einer Straße genutzt wurde, was ein Verstoß gegen die Fairtrade-Standards ist, weil dies im Verantwortungsbereich der Plantage liegt, wurde dieser Betrag auf das Prämienkonto rücküberwiesen.
Mittlerweile ist die Plantage dezertifiziert.
Tonganagaon baut den Tee nach Bio-Richtlinien an. Demnach gelten die Regelungen des biologischen Anbaus und werden separat überprüft. Die Fairtrade-Standards setzen keinen Bio-Anbau voraus, beinhalten aber strenge Umweltkriterien, die die Nutzung von Pestiziden stark reglementiert. Die bestehende Liste der verbotenen Substanzen wurde kürzlich überarbeitet und deutlich erweitert, sie trat am 1. Januar 2018 in Kraft. Fairtrade setzt nicht nur auf Verbote, sondern wendet einen Methodenmix an: Beschäftigte, die mit Chemikalien zu tun haben, müssen vorab geschult werden. Schutzkleidung muss zur Verfügung stehen. Pestizidlagerung und Entsorgung, Informationspflicht und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Integrierter Pflanzenschutz (z.B. Nützlinge) sind durch den Standard vorgeschriebene Maßnahmen, die von Flocert kontrolliert werden.
Die Probleme in Assam sind uns bewusst und die Fortschritte nicht so schnell, wie wir uns das wünschen. Für Fairtrade steht fest: Eine Dezertifizierung des Teegartens muss der allerletzte Schritt sein. Wir sehen uns nach dem Fernsehbeitrag mehr denn je in der Verantwortung über Fairtrade konkret zur Verbesserung vor Ort beizutragen.
Durch Projektarbeit vor Ort gemeinsam mit Partnern aus Entwicklungspolitik, Gewerkschaften und Wirtschaft setzt sich Fairtrade jenseits der Zertifizierung für bessere Arbeitsbedingungen ein. Doch das reicht nicht aus, um die dort tief verwurzelten Probleme zu lösen: Politische Rahmenbedingungen, vor Ort wie auch hierzulande, müssen geschaffen werden, die dem Schutz der Schwächsten dienen und die gesamte Teebranche dafür in die Pflicht nehmen.