Unternehmerische Sorgfaltspflicht – Kleinbauernfamilien und Beschäftigte in den Mittelpunkt der Gesetzgebung stellen

Mehr als 270 Fairtrade-Produzentenorganisationen aus Lateinamerika, Afrika und Asien haben ein Schreiben unterzeichnet, das den politischen Vertreter*innen der EU am 25. Mai 2022 zugesandt wurde. Über 40 Unternehmen unterstützen ihre Botschaft.

Ein Feldarbeiter läuft durch eine Bananen-Plantage und blickt nach oben links

Fairtrade-Produzentenorganisationen fordern in einem Brief die Europäische Union auf, ihre Interessen in den Mittelpunkt der Sorgfaltspflichtgesetzgebung zu stellen

Die Rechte von Millionen Kleinbauernfamilien und Beschäftigten werden bis heute missachtet, auch wenn die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vor über 70 Jahren verkündet wurde. Noch immer sind Menschenrechts- und Umweltverletzungen in landwirtschaftlichen Lieferketten weitverbreitet und Gesetze zur Bekämpfung dieser Verletzungen sind von entscheidender Bedeutung.

Fairtrade-Produzent*innen fordern wirksame Gesetze zur Sorgfaltspflicht

Unterstützt von Wirtschaftsunternehmen fordern Fairtrade-Kleinbäuer*innen und -Beschäftigte in einem offenen Brief wirksame und starke Gesetze zur Sorgfaltspflicht und bitten die Europäische Union, ihre Stimmen und Bedürfnisse in die Verhandlungen miteinzubeziehen. Denn trotz starker freiwilliger Initiativen wie Fairtrade sind Gesetze notwendig, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten der Lieferketten gemeinsam Verantwortung für Menschen- und Umweltrechte übernehmen.

EU-Lieferkettengesetz: Guter Schritt mit Nachbesserungsbedarf

Die gute Nachricht ist, dass viele Entwicklungen in diese Richtung gehen. So hat die Europäische Kommission kürzlich ihren Vorschlag für ein umfassendes Gesetz zu den unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Menschenrechte und Umwelt vorgelegt. Die große Frage ist, ob die vorgeschlagene Ausgestaltung der Sorgfaltspflichtgesetze tatsächlich positive Auswirkungen auf Kleinbauernfamilien und Arbeiter*innen haben wird.

Obwohl der europäische Vorschlag einen guten Ausgangspunkt für Verhandlungen ist, muss noch nachgebessert werden. Das vorgeschlagene Gesetz stützt sich stark auf vertragliche Zusicherungen wie beispielsweise. Verhaltenskodexe, die es Unternehmen erleichtern, die Verantwortung an den Anfang der Lieferkette zu verlagern, anstatt die Rolle ihrer eigenen Einkaufspraktiken bezüglich menschlicher und ökologischer Risiken und Verstöße zu hinterfragen. Außerdem soll die Richtlinie Käufer nicht ermutigen, Geschäftsbeziehungen zu beenden, wenn Probleme entdeckt werden, sondern den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Lieferanten suchen.

Kleinbauernfamilien und Arbeiter*innen sind innerhalb der globalen Lieferketten am stärksten gefährdet, was die ungleiche Verteilung von Macht und den Wertschöpfung angeht. Deshalb haben Fairtrade-zertifizierte Produzentenorganisationen einen Brief geschrieben, in dem sie die Europäische Union auffordern, ihre Interessen in den Mittelpunkt der Sorgfaltspflichtgesetzgebung zu stellen.

„Der Dialog mit den von Geschäftspraktiken negativ betroffenen Menschen ist ein grundlegendes Prinzip der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht. Wir wollen, dass unsere Stimmen gehört werden“, heißt es in einem Auszug.

Existenzsichernde Einkommen sicherstellen

Die Produzentenorganisationen erklären, dass ihre Rechte unter Druck bleiben, solange die Gesetzgebung nicht sicherstellt, dass Kleinbauernfamilien und Beschäftigte ein existenzsicherndes Einkommen erzielen können. Wenn die HREDD-Gesetzgebung und die Praktiken der einkaufenden Unternehmen gar zu zusätzlichen Kosten für die Produzent*innen führen, könnten viele von ihnen diese Anforderungen nicht erfüllen und von den Märkten verdrängt werden – was sich negativ auf die Rechte von Kleinbäuer*innen, Arbeiter*innen und deren Familien auswirkt. Kleinbauernfamilien können Menschenrechts- und Umweltprobleme nur angehen, wenn Unternehmen die Kosten zur Gesetzeseinhaltung teilen.

Die Gesetzgebung sollte folgende Punkte berücksichtigen:

  • Aufnahme einer Sorgfaltspflicht für die gesamte Lieferkette und für alle Unternehmen
  • Förderung der Zusammenarbeit und Kostenteilung
  • Verpflichtung von Unternehmen, ihre Einkaufs- und Handelspraktiken zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen
  • Fokus auf existenzsichernde Einkommen und Löhne
  • Ermöglichung einer sinnvollen Zusammenarbeit der Interessengruppen mit Kleinbauernfamilien und Beschäftigten in jedem Schritt des Prozesses
  • Vermeidung von übereilten Maßnahmen und Förderung der langfristigen Zusammenarbeit.

Die Gesetzgebung sollte damit beginnen, die Notwendigkeit der Einhaltung dieser Forderungen anzuerkennen. Aber auch die eigentlichen Ursachen müssen anerkannt werden. Die Gesetzgebung sollte Unternehmen verpflichten, die schwerwiegendsten Probleme in Bezug auf Menschenrechte und Umweltschutz anzugehen und gleichzeitig mit den zu schützenden Menschen zusammenzuarbeiten. Mehr Anforderungen und verbindliche Rechtsvorschriften führen nicht automatisch zu Verbesserungen der Menschenrechte vor Ort.

Die oben genannten Elemente, die Zusammenarbeit in der Lieferkette und ein sinnvoller Dialog sind notwendig, um echte Wirkungen zu erzielen. Alle Beteiligten tragen hierfür Verantwortung. Aus legislativer Sicht liegt es nun an den Beamt*innen der Europäischen Union, diesen Gesetzesvorschlag weiter auszubauen und so positive Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen der Produzent*innen sicherzustellen.

Um diese Forderungen in konkrete Gesetzesvorschläge umzusetzen, haben Fairtrade International, das Fair Trade Advocacy Office (FTAO), die Rainforest Alliance und Solidaridad ein kurzes Policy Paper erstellt.