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Nestlé lässt Fairtrade in UK im Stich

Kakao- und Zuckerproduzent*innen fordern Nestlé auf, bei KitKats-Schokoriegel in Großbritannien weiter auf Fairtrade zu setzen.

Aufgebrochene Kakaofrucht

Der Schritt von bedeutet für rund 27.000 Kleinbäuerinnen und -bauern einen Verlust von fast 2,2 Mio. Euro an Fairtrade-Prämien pro Jahr. Bild: TransFair e.V.

Bittere Nachrichten aus dem Schokoladenmarkt in Großbritannien: Nestlé ließ mitteilen, dass sie ab Oktober keinen Fairtrade-Kakao und -Zucker mehr für KitKat-Riegel verwenden werden. Nestlé hatte für KitKat-Schokoriegel in Großbritannien und Irland ein Jahrzehnt lang den Kakao und Zucker unter Fairtrade-Bedingungen eingekauft.

Dieser Schritt bedeutet für rund 27.000 Kleinbäuerinnen und -bauern in Côte d'Ivoire, Fidschi und Malawi einen Verlust von umgerechnet fast 2,2 Mio. Euro an Fairtrade-Prämien pro Jahr.

Die Prämie, die die Kakao- und Zucker-Organisationen durch die Einkäufe von Nestlé erhalten haben, wurde in den letzten Jahren in verschiedene Projekte investiert, darunter der Bau von Klassenzimmern, Apotheken, Essensausgaben aber auch in Projekte, um Frauen zu unterstützen, ihr Einkommen zu steigern und Einkommensquellen zu diversifizieren.

Fairtrade-Prämie unterstützt Soforthilfe in der Corona-Krise

In der Pandemie zeigte sich, welche Vorteile die Fairtrade-Prämie bringt: Da die Produzentenorganisationen selbst entscheiden, wie sie die Fairtrade-Prämie ausgeben, konnten sie während der Corona-Krise schnell handeln, um in Präventionsmaßnahmen zu investieren oder auch Einkommensausfälle auszugleichen. Kooperativen haben Schutzausrüstungen gekauft, Handdesinfektionsmittel verteilt, Aufklärungskampagnen gestartet und beispielsweise durch Vorerkrankungen besonders gefährdete Familien unterstützt.

Die Fairtrade-Prämie ist einzigartig, da die Menschen vor Ort die volle Kontrolle darüber haben, wie sie diese Prämie in ihren Gemeinden und Betrieben investieren wollen. Kein anderes Zertifizierungssystem neben Fairtrade bietet eine festgelegte Prämie und die Selbstverwaltung dieser Gelder.

Die Folgen der Nestlé-Entscheidung

Nestlé hat bekannt gegeben, zukünftig europäischen Rübenzucker beziehen zu wollen. Das bedeutet, dass Rohrzuckerbäuerinnen und -bauern in Malawi und Fidschi nicht nur die Fairtrade-Prämie verlieren, sondern womöglich den Zugang zum EU-Markt.

Zukünftige Kakaoeinkäufe können zwar von den gleichen Kooperativen erfolgen, aber nur als Teil der Konzern-eigenen Initiative „Nestlé Cocoa Plan“, das heißt ohne Fairtrade-Prämie und ohne den Fairtrade-Mindestpreis, der die Kosten einer nachhaltigen Produktion deckt.

Schon als sie bei einer ersten Sitzung im Mai erstmalig über die Entscheidung von Nestlé informiert wurden, zeigten sich die Kakaobauern und -bäuerinnen äußerst besorgt über die zu erwartenden Einkommenslücken und den Verlust der Entscheidungsfreiheit über die Verwendung der Prämie. Im Durchschnitt verdienen Menschen im Kakaoanbau in Westafrika weniger als einen Euro pro Tag – das ist weniger als die Hälfte eines existenzsichernden Einkommens und ungefähr so viel, wie ein KitKat in Großbritannien kostet – da überrascht es nicht, dass Kakaobäuerinnen und -bauern Angst haben, durch diesen Schritt eine weitere Einnahmequelle zu verlieren.

Produzent*innenorganisationen fordern weitere Verhandlungen

Im Namen der ivorischen Kakaobauernfamilien schrieb Atse Ossey Francis, Vorsitzender des Aufsichtsrates des ivorischen Fair Trade-Netzwerks: „Mit tiefem Bedauern und tiefer Besorgnis haben wir erfahren, dass Kakaobauern in Côte d'Ivoire, nachdem sie ein Jahrzehnt lang stolz Kakao für KitKat in Großbritannien produziert haben, zukünftig nicht mehr die Vorzüge haben sollen, ihren Kakao zu Fairtrade-Bedingungen zu verkaufen. Nestlé ist mit ihrer Marke KitKat einer der führenden Käufer von Fairtrade-zertifiziertem Kakao, und wir sind dankbar für diese zehnjährige Zusammenarbeit, in der wir zum Erfolg von Nestlé beigetragen haben. Eine Handelsbeziehung ohne Fairtrade-Bedingungen bedeutet Rückschritt und fortschreitende Armut.“

Der Brief formuliert einen klaren Appell: „Wir fordern Nestlé auf, die Verhandlungen mit den Vertretern der Produzenten und von Fairtrade fortzusetzen, um Wege einer Einigung zu finden, damit sie ihre Entscheidung, nicht zu Fairtrade-Bedingungen zu kaufen, überdenken können. Wir rufen Nestlé auf, die unglaubliche Arbeit der letzten zehn Jahre fortzusetzen, um die Fairtrade-Prämie nicht zu einem Zeitpunkt zu kappen, zu dem wir Produzenten sie am meisten brauchen! Fairtrade gehört paritätisch den Produzierenden selbst, was uns die Macht gibt, unsere eigenen Entscheidungen für unsere Organisationen, Familien und Gemeinschaften zu treffen, und uns die Möglichkeit gibt, die Stimme der kleinbäuerlichen Produzenten zu erheben. Bei Fairtrade wird unsere Stimme gehört und berücksichtigt. Wir werden mit dem Respekt und der Würde behandelt, die wir verdienen. Die Zusammenarbeit mit dem fairen Handel zu beenden, bedeutet, unsere Stimmen zum Schweigen zu bringen.“

Neben den betroffenen Produzent*innen appellieren auch britische Medien und Konsument*innen an Nestlé, weiterhin zu Fairtrade-Bedingungen einzukaufen. Zahlreiche Petitionen wurden gestartet und können unterzeichnet werden.

TransFair schließt sich der Forderung an und appelliert an Nestlé

In Deutschland arbeitet Nestlé bislang ausschließlich im Bereich Kaffee mit Fairtrade zusammen. Die Entscheidung hat demnach zwar keine direkten Auswirkungen auf den deutschen Markt, TransFair e.V. (Fairtrade Deutschland) kritisiert aber die Entscheidung deutlich: „Die Verunsicherung bei den Produzentenorganisationen ist groß. Neben den Herausforderungen, die bereits da sind – Armut, mangelnde Infrastruktur, Klimawandel – verschärft Corona die Lage weiter. In dieser Situation die Zusammenarbeit zu streichen ist ein riesiger Fehler“, sagte Dieter Overath, Vorstandsvorsitzender von TransFair. „Wir fordern Nestlé eindringlich auf, die Entscheidung zu überdenken und für KitKat weiter mit Fairtrade zusammen zu arbeiten, statt in dieser globalen Krise die Ungleichheiten in der Kakaoindustrie zu verschärfen. Seien Sie Teil der Lösung und halten Sie an KitKat Fairtrade fest!“