Lieferkettengesetz im Bundestag: Jetzt nicht verwässern!

TransFair e.V. (Fairtrade Deutschland) fordert Nachbesserungen am geplanten Lieferkettengesetz.

Arbeiter*innen in einer indischen Textilfabrik.

Die textile Lieferkette ist lang und komplex. Ein Lieferkettengesetz könnte Arbeiter*innen deutlich besser schützen. Bild: Christoph Köstlin | Fairtrade.

Das Lieferkettengesetz kommt in den Bundestag. Zum ersten Mal werden damit Sorgfaltspflichten von Unternehmen entlang der globalen Lieferketten auch in Deutschland gesetzlich geregelt. Aus Sicht von Fairtrade Deutschland eine gute Sache. Doch das Gesetz muss in Zukunft deutlich verbessert werden und darf im Parlament keinesfalls verwässert werden.

Fairtrade Deutschland begrüßt die Einführung des Lieferkettengesetzes. Künftig sollen deutsche Unternehmen damit erstmals zu menschen- und umweltrechtlichen Sorgfaltspflichten in Teilen ihrer Lieferkette verpflichtet werden.
Seit nunmehr fast 30 Jahren setzt sich Fairtrade für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen im globalen Süden genauso wie für die Einhaltung von Menschenrechten im globalen Handel ein. Das Gesetz, das sich jetzt in der parlamentarischen Debatte befindet, rückt diese Ziele weiter in den Vordergrund. Zentral für Fairtrade sind allerdings immer auch Preise und Löhne, damit die Menschen im globalen Süden ein existenzsicherndes Auskommen erhalten. Hier muss unbedingt nachgebessert werden.

Haftungsfragen müssen geklärt werden

Fairtrade Deutschland schließt sich der Kritik anderer zivilgesellschaftlicher Akteure an, wonach das Gesetz erhebliche Schwächen aufweist. „Die Reichweite der Sorgfaltspflicht wurde zugunsten der Unternehmen so sehr zurechtgestutzt, dass viele Verletzungen der Menschenrechte – wie zum Beispiel ausbeuterische Kinderarbeit beim Kakaoanbau oder fehlender Schutz der Arbeiter*innen in der Textilindustrie – kaum durch das neue Gesetz verhindert werden“, bemängelt etwa Dr. Bernd Bornhorst, Vorstandsvorsitzender des Verbands Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO).

Es fehlen zudem zivilrechtliche Haftungsregeln, wonach Unternehmen vor deutschen Zivilgerichten konkret für Schäden haften, die sie durch Missachtung ihrer Sorgfaltspflichten verursacht haben. Auch die Tatsache, dass Firmen nur für Missstände in der ersten Reihe der Lieferant*innen haften (Tier 1), wird kritisiert.  „In diesen Punkten braucht es substanzielle Fortschritte, damit sich die Arbeitsbedingungen im globalen Süden wirklich verbessern“, fordert Dieter Overath, Geschäftsführender Vorstand von TransFair e.V. (Fairtrade Deutschland). Darüber hinaus müssen Anreize geschaffen werden, damit Unternehmen auf hohe Standards wie das Fairtrade-System setzen – mit Mindestpreisen, Prämien und Empowerment vor Ort.

Fairtrade-Lizenzpartner wie Ben&Jerry’s, Koawach, Tony’s Chocolonely, 3Freunde, MELAWEAR und Brandsfashion gehören zu den Unterzeichnenden einer heute vom Business and Human Rights Resource Centre veröffentlichten Stellungnahme. Sie alle sprechen sich für ein wirkungsvolleres Lieferkettengesetz aus. „Wir haben höhere Ausgaben für unsere Produkte, weil wir viel Geld in Zertifizierungen und Forschung stecken und Menschen in der Lieferkette nicht ausbeuten, sondern fair bezahlen. Währenddessen lagern viele konventionelle Unternehmen ihre Produktionskosten auf Menschen und Umwelt aus. Genau deshalb muss es endlich einen rechtlichen Rahmen geben, der Firmen für ihr Handeln in die Verantwortung nimmt“, sagt etwa ein Sprecher von MELAWEAR.

Fairtrade kann und will mehr

Welche Elemente eine solche Regelung in Zukunft einbeziehen sollte, legt Fairtrade in zwei Positionspapieren zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt dar. Darin fordert Fairtrade etwa die Einführung von nationalen, regionalen und globalen Gesetzen zur menschen- und umweltrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen, die unter anderem existenzsichernde Einkommen und Löhne als Menschenrecht anerkennen. Auch die Einbeziehung von Menschen innerhalb der Lieferketten in die Gesetzgebungsprozesse ist eine wichtige Forderung. Ganz zentraler Punkt sind zudem faire Handelsbedingungen, die die Kosten und Risiken entlang der Lieferketten fair verteilen. Diese müssen unbedingt auch das Lieferkettengesetz flankieren, damit die Kosten nicht bei den Ärmsten hängen bleiben.

Mit einer Zusammenarbeit mit Fairtrade und der Umsetzung der Fairtrade-Vorgaben können Unternehmen heute schon bestimmte Aspekte der Sorgfaltspflichten erfüllen, wie die Einhaltung von Menschenrechten für Arbeiter*innen, Kinder und Frauen, Transparenz und Beschwerdemechanismen erfüllen. Doch Fairtrade kann mehr als das: Langfristige Lieferbeziehungen, der Aufbau von Kapazität in den Anbauländern und das Empowerment von Kleinbäuerinnen und -bauern sowie Arbeiterinnen und Arbeitern vor Ort entfalten eine dauerhafte positive Wirkung im globalen Süden.

Durch den Fairtrade-Mindestpreis bietet das System Kleinbauern und -bäuerinnen sowie Arbeiter und Arbeiterinnen zudem ein Sicherheitsnetz, das Schwankungen im Weltmarktpreis abfedert. Die Fairtrade-Prämie wiederum fließt in Gemeinschaftsprojekte vor Ort. Das Ziel von Fairtrade ist also nicht nur die Beachtung der Menschenrechte entlang der Lieferkette, sondern die Erreichung besserer Einkommen und Lebensbedingungen für alle Menschen im globalen Süden.