Lieferkettengesetz: Gebt dem Tiger seine Zähne zurück

Die Verhandlungen rund um das längst überfällige Lieferkettengesetz halten weiter an. Vergangene Woche machte die Initiative Lieferkettengesetz erneut auf sich aufmerksam und brachte Rückenwind aus der Zivilgesellschaft mit. Wir zitieren aus der Pressemitteilung der Initiative und erklären unseren Standpunkt.

Petition der Initiative Lieferkettengesetz bei der symbolischen Übergabe in Berlin

Symbolische Übergabe der Petition der Initiative Lieferkettengesetz in Berlin

Aktivist*innen der Initiative Lieferkettengesetz haben heute in Berlin demonstriert, weil das Bundeskabinett die Besprechung der Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz erneut verschoben hat. Dabei errichteten sie einen überdimensionalen gesetzlichen Rahmen und übergaben symbolisch eine Petition mit mehr als 222.222 Unterschriften an das Bundeskanzleramt. Das Bündnis aus über 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen fordert von der Bundesregierung, das Gesetz nicht länger zu verschieben, sondern endlich für einen wirksamen Schutz von Menschenrechten und Umwelt zu sorgen.

Johannes Heeg, Sprecher der Initiative Lieferkettengesetz, sagt: „Von Flensburg bis nach Freiburg, von Bonn bis nach Berlin: Überall in Deutschland haben Menschen in den letzten Monaten Unterschriften gesammelt und die Forderung nach einem gesetzlichen Rahmen auf die Straße getragen. Es ist höchste Zeit, dass die Kanzlerin diesen Stimmen Gehör schenkt: Ein wirksames Lieferkettengesetz ist überfällig.“

Mit Blick auf die Debatten innerhalb der Bundesregierung kritisiert die Initiative insbesondere die Position von Wirtschaftsminister Peter Altmaier scharf: „Nach der Vorstellung von Herrn Altmaier würde ein Lieferkettengesetz nur einen Bruchteil der Unternehmen erfassen, die in Deutschland Geschäfte machen. Sogar Unternehmen wie H&M und Ritter Sport, die selbst ein Lieferkettengesetz fordern, würden durch das Raster fallen“, betont Christian Wimberger, Referent für Unternehmensverantwortung bei der Christlichen Initiative Romero (CIR).

Anders als in früheren Eckpunkten des Arbeits- und des Entwicklungsministeriums vorgesehen, will das Wirtschaftsministerium ein Lieferkettengesetz nur für Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitenden einführen. Zudem soll der zivilrechtliche Durchsetzungsmechanismus entfallen. Damit hätten Betroffene von Menschenrechtsverletzungen kaum eine Möglichkeit, vor deutschen Gerichten Entschädigungen einzufordern. Johannes Schorling, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei INKOTA, kritisiert: „Ein Lieferkettengesetz ohne Haftung wäre ein zahnloser Tiger. Geschädigte müssen hierzulande gegen ein Unternehmen vor Gericht ziehen können, wenn das Unternehmen von Menschenrechtsverletzungen bei seinen Zulieferern wusste und nichts dagegen unternommen hat. Eine solche Regelung ist verhältnismäßig und zumutbar.“

Menschenrechtsverletzungen haftbar machen

Fairtrade Deutschland unterstützt die Forderungen nach einem konsequenten und wirksamen Lieferkettengesetz: „Ein Lieferkettengesetz nimmt alle in die Pflicht, deshalb begrüßen wir diesen Vorstoß. Jetzt ist es wichtig, dass das Lieferkettengesetz höchstmögliche Kriterien umfasst und klare Haftungsregeln enthält, damit es kein zahnloser Tiger ist“, so Overath. „Unser Ziel ist es, dass der Handel insgesamt fair wird. Deshalb ist das Lieferkettengesetz ein wichtiger Schritt. Wir wollen die Messlatte aber weiter anheben, zum Beispiel müssen existenzsichernde Preise und Löhne auf die Agenda – da bleibt noch viel zu tun.“

Fairtrade verkörpert die faire Lieferkette bereits seit Langem durch die Zertifizierungsstandards. Diese fordern neben Transparenz entlang der Lieferkette zum Beispiel die grundsätzliche Einhaltung der Menschenrechte, das Zahlen fairer Löhne und die Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit. Mit dem Lieferkettengesetz könnten zumindest einige dieser Maßnahmen für jedes größere Unternehmen verpflichtet werden.