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Interview mit Leiterin der FES Bangladesch

Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ist Mitgliedsorganisation von TransFair. Wir trafen Franziska Korn, Leiterin des FES-Büros in Bangladesch, zu einem Interview.

Franziska Korn, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung Bangladesch. Fotografin: Josephine Dannheisig

Franziska Korn, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung Bangladesch. Fotografin: Josephine Dannheisig

Mit ihrer Arbeit in mehr als 100 Ländern begleitet die FES den Aufbau und die Konsolidierung zivilgesellschaftlicher und staatlicher Strukturen. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die Förderung von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung, von starken und freien Gewerkschaften sowie das Eintreten für Menschenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter.

Seit 2016 leitet Franziska Korn das FES-Büro in Bangladesch. Zur Arbeit der FES und der aktuellen Situation beantwortete sie uns einige Fragen im Interview.

Welche Arbeitsschwerpunkte setzt die FES in Dhaka bzw. Bangladesch mit Blick auf die Textilindustrie?

2014 – fast genau 1 Jahr nach der Textilkatstrophe von Rana Plaza – hat die Friedrich-Ebert-Stiftung ihr Büro in Dhaka offiziell eröffnet. Seither arbeitet die FES eng mit lokalen Gewerkschaften zusammen und unterstützt den Sozialen Dialog (zwischen Arbeitnehmern und -gebern) und den tripartiten Dialog (zwischen Arbeitnehmern, -gebern und Regierung) im Land sowie entlang der globalen Wertschöpfungskette.

Neben dem Aufbau von Dialogplattformen zur Vertrauensbildung zwischen den Sozialpartnern zählt vor allem die Nachwuchsförderung zu den Zielen der FES. Die FES hat daher 2017 die erste „Akademie der Arbeit“ in Dhaka eröffnet. Die Akademie der Arbeit ist ein dreimonatiges, universitätszertifiziertes Nachwuchskräfteprogramm für GewerkschafterInnen der mittleren Führungsebene. Sie bringt GewerkschafterInnen verschiedener Sektoren zusammen und ermöglicht eine Weiterbildung in Themen wie Wirtschaft, Globalisierung und Handel sowie Arbeitnehmerrechte in der Landessprache. Damit soll die Akademie langfristig zu einem funktionierenden, demokratischen sozialen Dialog zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern beitragen und die Gewerkschaften insgesamt stärken.
 

Warum ist es aus Ihrer Sicht so schwer die Textillieferkette fair zu gestalten?

Nach China ist Bangladesch der zweitgrößte Textilproduzent der Welt. Circa 60 Prozent der bangladeschischen Textilexporte gehen in die EU. Zwischen der Produktion in Bangladesch und dem Verkauf von Textilien beispielsweise nach Deutschland liegen zahlreiche Verarbeitungsschritte. Die Lieferkette ist komplex und teilweise schwer überschaubar.
Zudem ist die Lieferkette von Machtungleichgewichten geprägt: Unternehmen verlagern ihre Produktionsstätten in die Länder, die die niedrigsten Lohnstückkosten versprechen und damit aber auch Sozialstandards unterlaufen. Unfälle, wie Rana Plaza, stehen damit auch für das Machtgefälle zwischen dem Westen und dem globalen Süden und für den Preis, den Länder wie Bangladesch, im internationalen Wettbewerb um billige Produktionsbedingungen, zahlen. Darunter leiden am meisten die Textilarbeitenden in den Fabriken. Transparenz – die Offenlegung der gesamten Lieferkette – und klar definierte Verantwortlichkeiten zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen können dazu beitragen die Lieferkette fairer zu gestalten.
 

Was hat sich seit der Katastrophe von Rana Plaza in Bangladesch und in der Arbeit der FES in Bangladesch verändert?

Rana Plaza stieß eine längst überfällige internationale Debatte über unmenschliche Arbeitsbedingungen, Ausbeutung und Verantwortlichkeiten entlang der Lieferkette und die Kehrseiten einer globalisierten Welt an. Knapp fünf Jahre nach der Katastrophe sind erste Erfolge, aber auch Grenzen erkennbar. Zu den Erfolgen zählen beispielsweise die Verbesserungen im Gesundheits- und Sicherheitsschutz in den Textilfabriken. Der ACCORD, ein internationales Abkommen zwischen Gewerkschaften und Markenunternehmen zur Verbesserung der Gebäudesicherheit und des Brandschutzes, hat dazu entscheidend beigetragen und eine bislang unvergleichbare Transparenz in den bangladeschischen Textilsektor gebracht.

Herausforderungen bestehen weiterhin beispielsweise in puncto Vereinigungsfreiheit. Weniger als 5 Prozent aller rund 4 Millionen Textilarbeitenden sind gewerkschaftlich organisiert. Der Weg zu mehr Mitbestimmung, existenzsichernden Löhnen und funktionierenden demokratischen Gewerkschaften ist noch weit. Für die Zukunft Bangladeschs wird es entscheidend sein, menschenwürdige Arbeit und wirtschaftliches Wachstum noch stärker zu verbinden. Die FES Bangladesch unterstützt daher beispielsweibse Diskussionsplattformen zu einer innovativen und sozial gerechten Industrie- und Arbeitsmarktpolitik. Auch die Diskussionen zur Umsetzung der Agenda 2030 – den sog. Nachhaltigkeitszielen – sind dabei ein wichtiges Arbeitsfeld der Stiftung in Bangladesch und Deutschland.
 

Welche Rolle spielt der gesellschaftspolitische Dialog in Deutschland zur ökologisch nachhaltig und sozial fair hergestellten Mode?  

Es ist wichtig, dass die Diskussionen für bessere Arbeitsstandards nicht nur in Bangladesch, sondern auch in den Käuferländern stattfinden. Privatwirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft können entscheidend dazu beitragen, dass es zu besseren Arbeitsbedingungen in Ländern wie Bangladesch kommt. Konsumenten fordern verstärkt ökologische und nachhaltig produzierte Kleidung. Auch wenn die Zahl weiterhin gering ist, zeigt sich, dass mehr und mehr Markenunternehmen bereit sind ihre Lieferkette offenzulegen. Die Diskussionen und bereits angestoßene Initiativen zu menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht von multinationalen Unternehmen sind ein wichtiger Schritt. Der Ansatz ist dabei, große Unternehmen zu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, um Menschenrechts- und Umweltrisiken entlang ihrer Lieferkette zu identifizieren, vorzubeugen und im Schadensfall Abhilfe zu leisten. Frankreich hat bereits ein Gesetz verabschiedet, das dies von Unternehmen fordert. Nun müssen weitere Länder folgen. Für den Erfolg wird entscheidend sein, menschenrechtliche Sorgfaltspflicht rechtlich zu verankern anstatt nur auf Freiwilligkeit zu setzen.
 

Wie reagiert die lokale Politik auf die Nachfrage nach nachhaltigen Textilien und Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie?

Die bangladeschische Regierung hat auf die Forderungen zur besseren Einhaltung der Arbeitnehmer-, Menschenrechte und Umweltstandards insbesondere durch die EU kürzlich mit einer Gesetzesanpassung reagiert, die derzeit noch finalisiert wird. Ein wichtiger Punkt ist beispielsweise das Recht Gewerkschaften auch in sogenannten Sonderwirtschaftszonen zu gründen (was bisher nicht erlaubt ist). Bürokratische Hürden und die Intransparenz bei der Ablehnung durch das Arbeitsministerium erschweren zudem die Gründung und Etablierung von Gewerkschaften.

Bangladesch betont aber auch, dass es an gerechten Wettbewerbsbedingungen fehlt und sieht somit die Gefahr der Abwanderung von Käufern in andere Länder, die noch billiger und schneller produzieren. Bangladesch betont daher, dass die verbesserten Arbeitsstandards auch mit höheren Kosten und/oder längeren Lieferzeiten verbunden sind, die von den Käufern/internationalen Modeunternehmen mitgetragen werden müssen.
 

Welche Chancen sehen Sie im Fairtrade-Textilstandard?

Der Fairtrade-Textilstandard kann zu mehr Transparenz beitragen, Orientierung für KonsumentInnen bieten und die Unternehmen belohnen, die sich vorbildlich für menschenwürdige Arbeit einsetzen. Aufgrund der Komplexität der Lieferketten stehen Zertifizierungsinitiativen aber auch vor zahlreichen Herausforderungen. Es ist daher entscheidend, dass sie genau offenlegen, was sie tatsächlich zertifizieren und was nicht.
 

Welche Entwicklungen erhoffen Sie sich für die Zukunft?

Mit einem Exportvolumen von mehr als 28 Milliarden US-Dollar ist die Textilindustrie mit Abstand der wichtigste Wirtschaftszweig Bangladeschs. Bis 2021 soll diese Summe fast verdoppelt werden. Ich hoffe, dass diese Entwicklung mit einer noch stärkeren nachhaltig durchdachten Industrie- und Arbeitsmarktpolitik einhergeht. Diese muss verbunden sein mit freien, demokratischen und unabhängigen Gewerkschaften, die als Sozialpartner gesellschaftlich anerkannt werden und auch als solche fungieren.