Gemeinsam für Fairness und Gerechtigkeit

Fairtrade testet einen neuen Ansatz für die Arbeitsbeziehungen auf zertifizierten Bananenplantagen.

© Fairtrade International

Fairtrade testet einen neuen Ansatz für die Arbeitsbeziehungen auf zertifizierten Bananenplantagen. Gewerkschaften, Arbeitgeber und Arbeitnehmer planen dabei eine finanziell nachhaltige, geschlechtergerechte und sichere Zukunft.

Wilbert Flinterman, Senior Berater für Arbeitnehmerrechte und Gewerkschaftsbeziehungen von Fairtrade International, berichtet über ein dreitägiges Arbeitstreffen in Ghana. „Es geht nicht nur um eine bessere Bezahlung – obwohl das natürlich wichtig ist – es geht um eine menschenwürdige Arbeit und ein menschenwürdiges Privatleben, und das beinhaltet gleiche Bezahlung und Bedingungen für Frauen und Männer sowie sicheren Arbeitsplätze", sagt Flinterman.

Ermittlung existenzsichernder Löhne

„Zusammenarbeit ist der Schlüssel", sagt Flinterman. „Wir haben zunächst gefragt: Wie können wir mit Partnern und lokalen Interessengruppen zusammenarbeiten, um die Qualität der Arbeitsplätze weiter zu verbessern?"
Der erste Schritt war die Definition eines existenzsichernden Lohnes. Dazu beauftrage Fairtrade 2017 einen unabhängigen Forscher damit, nach Ghana zu reisen und zu beurteilen, was Bananenarbeiter*innen für einen angemessenen Lebensstandard verdienen müssen. Das bedeutet, dass sie ihre Grundbedürfnisse und die ihrer Familie decken und außerdem Rücklagen für unvorhersehbare Ereignisse bilden können. Nach der Auswertung der Zahlen ergab sich ein Wert von 1.028 ghanaischen Cedis pro Monat – was etwa 180 Euro entspricht. „Bedenkenswert ist, dass diese Berechnung des Lebensunterhalts etwa das Vierfache des derzeitigen nationalen Mindestlohns in Ghana beträgt. Arbeitgeber und Gewerkschaften haben bereits Löhne bis zum Dreifachen des Mindestlohns ausgehandelt, was zeigt, wie wichtig Tarifverhandlungen im Zusammenhang mit einem existenzsichernden Lohn sind", sagt Flinterman.

Fairtrade aus verschiedenen Perspektiven

Auf Grundlage dieser Ergebnisse organisierte Fairtrade International gemeinsam mit Fairtrade Africa ein dreitägiges Arbeitstreffen. Teilnehmer waren Interessensvertreter*innen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie Vertreter*innen der Regierung, von verschiedenen NGOs und anderen Organisationen. Allen Beteiligten sollen ein Konzept entwickeln, wie man Arbeitsplätze schaffen und einen zukunftsfähigen und nachhaltigen Bananensektor in Ghana entwickeln kann.

„Für mich war das Highlight die Art und Weise, wie wir mit unseren Partnern zusammengearbeitet haben", sagt Flinterman. „Es gab kein Gefühl von ‚denen und uns‘. Alle wurden in die Entscheidungsprozesse miteinbezogen – einschließlich der lokalen Arbeitnehmer, ihrer Gewerkschaften, Unternehmensleiter und Regierungsvertreter."
Während der Sitzungen wurden die gewählten Vertreter*innen der Bananenarbeiter gebeten, ihre Ansichten zu drei Projekten zu den Themen Löhne, Geschlechtergerechtigkeit sowie Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz darzulegen. „Um die richtigen Lösungen zu finden, sollten die Mitarbeiter erzählen, was für sie funktioniert und was nicht. Ihre Meinung ist für die Projekte unerlässlich", fügt Flinterman hinzu.

In einer von den NGOs Banana Link und der International Union of Food Workers (IUF) organisierten Sitzung erfuhren die Teilnehmer*innen, dass Frauen besseren Zugang zu einem breiteren Angebot an Arbeitsplätzen, Bildung und Vertretung sowie zu einem sicheren Arbeitsplatz benötigen, erklärt Jacqui Mackay, National Coordinator bei Banana Link. „Es ist sinnvoll, die Löhne aus einer geschlechtsspezifischen Perspektive zu betrachten. Frauen sind in der Regel in schlechter bezahlten Berufen überrepräsentiert und sehen sich oft verschiedenen physischen und nicht-physischen Barrieren gegenüber.“

In Ghana gibt es zwei Fairtrade-zertifizierte Bananenplantagen. Volta River Estates, das älteste zertifizierte Bananenunternehmen im Fairtrade-System, und Golden Exotics, das auch Plantagen in Kamerun und der Elfenbeinküste besitzt. Für den sektorweiten Programmansatz nahm außerdem auch ein dritter Hersteller, Musamahat Farms Limited, teil.  Zusammen beschäftigen sie rund 4000 Arbeiter, von denen viele Mitglieder der General Agricultural Workers Union of Ghana (GAWU) und der Industrial and Commercial Workers Union (ICU) sind.

Die Herausforderungen gemeinsam bewältigen

Flinterman macht sich keine Illusionen über die Herausforderung, nicht nur im Bananensektor sondern auch in anderen Sektoren einen angemessenen Lohn zu erhalten. „Ich hoffe, dass die Arbeiterinnen den Lohn bekommen, den sie verdienen", sagt er. „Aber wir wollen auch keine Arbeitsplätze gefährden. Fairtrade erkennt an, dass diese ghanaischen Bananenunternehmen bereits viele gute Beschäftigungspraktiken umgesetzt haben.“

„Letztendlich können sich die Plantagenlöhne nur dann verbessern, wenn jeder in der Lieferkette - einschließlich der Verbraucher - ein paar Cent mehr für seine Fairtrade Bananen bezahlt. Dies beginnt damit, dass Unternehmen, die Bananen handeln, den Fairtrade Mindestpreis zahlen. Wenn Arbeitgeber existenzsichernde Löhne bezahlen, entstehen für sie auch erhebliche Betriebskosten, die wiederum auch gedeckt werden müssen.“

Trotz der Herausforderungen bleibt Flinterman optimistisch. „Es war eine Freude und ein Privileg mit so vielen engagierten Menschen bei den Treffen in Ghana zusammenzuarbeiten. Es gibt eine Fülle von Begeisterung, die Diskussionen am Laufen zu halten und sicherzustellen, dass die Aufmerksamkeit hoch bleibt. Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen werden."