Fairtrade-Textilprogramm in Indien in vollem Gange

Der Fairtrade-Textilstandard sieht die Zertifizierung aller Betriebe einer textilen Lieferkette von der Entkörnung bis zum Konfektionsbetrieb vor.

Teilnehmerinnen einer Schulung in Indien. Bilder: Fairtrade Asia and Pacific (NAPP)

Teilnehmerinnen einer Schulung in Indien. Bilder: Fairtrade Asia and Pacific (NAPP)

Damit Unternehmen und Produktionsstätten Schritt für Schritt an die Anforderungen des Textilstandards herangeführt werden, hat Fairtrade das Textilprogramm entwickelt. Es bietet Unternehmen Schulungen und Trainings an, um auf Management- und Beschäftigtenebene das Bewusstsein einer sozialverträglichen und arbeiterfreundlichen Produktion zu schärfen.

Das Textilprogramm ist zunächst in Indien gestartet. Die Teilnahme eines Zulieferbetriebs wird immer durch ein Pre-Assessment begonnen: Unabhängige Experten überprüfen den Betrieb hinsichtlich der Einhaltung von Arbeiterrechten, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und Umweltschutz und erstellen eine Empfehlung, in welchen Bereichen Verbesserungen notwendig sind, um die Fairtrade-Zertifizierung auf lange Sicht zu erreichen.

Expertenteam führt Schulungen in Indien durch

Derzeit arbeitet Fairtrade daran, in den indischen Fabriken die Grundvoraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Textilstandard umgesetzt werden kann. Dafür hat sich Dr. Rossitza Krüger, Textilmanagerin bei Fairtrade International, ein sechsköpfiges Team aus Experten der relevanten Arbeitsbereiche Arbeiterrechte, Chemikalienmanagement, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Produktivitätssteigerung sowie Spinnen und Weben zusammengestellt. Alle Experten haben vieljährige Erfahrungen in der Textilindustrie und bringen ihr Wissen mit eigenen Teams und Consultants in die Schulungen im Rahmen des Textilprogramms ein.

Die Textilmanagerin ist regelmäßig in Indien. Aktuell nehmen elf indische Zulieferbetriebe am Textilprogramm teil. Weltweit haben sich bisher drei deutsche und ein englisches Markenunternehmen zur Umsetzung des Textilstandards verpflichtet. Im Jahr 2017 hat das Schulungs-Team in allen Produktionsstufen von der Entkörnung bis zum Konfektionsbetrieb insgesamt 83 Führungskräfte und 224 Arbeiterinnen und Arbeiter zum Textilstandard und Textilprogramm geschult. 53 demokratisch gewählte Arbeitervertreterinnen und Arbeitervertreter haben an Trainings zu Arbeitssicherheit und Gesundheit, Beschwerdemechanismen und dem Verbot sexueller Belästigung am Arbeitsplatz teilgenommen.

Bei einem Chemikalientraining im indischen Tiruppur war Anna Johannsen von dem deutschen Textilunternehmen Brands Fashion dabei. Das Unternehmen hat im Rahmen des Textilstandards ein Pilotprojekt gestartet. So ergab sich für die Nachhaltigkeitsmanagerin die Möglichkeit an dem Training teilzunehmen. „Das Chemikalientraining wurde von zwei großartigen Trainern durchgeführt. Dem Management wurden aktuelle Handlungsempfehlungen an die Hand gegeben, um sich in dem Bereich Chemikalien- und Abwassermanagement noch weiter zu verbessern. Zusätzlich wurden die jeweiligen Facharbeiter geschult und ihre offenen Fragen beantwortet“, berichtet Johannsen begeistert. „Es hat mir großen Spaß gemacht bei diesem Training live dabei zu sein.“

Trainings zu Produktivitätssteigerung sind ein wesentlicher Bestandteil auf dem Weg Richtung existenzsichernde Löhne. Der Mehrertrag, der durch eine verbesserte Organisation und weniger Defekte in der Fabrik entsteht, kann direkt für eine bessere Bezahlung der Arbeiterinnen und Arbeiter verwendet werden.
 

Grundvoraussetzung für den Textilstandard sind starke Gewerkschaften

Neben weiteren Schulungen, die von September bis Dezember 2017 stattfanden, war ein besonderer Workshop für Gewerkschaftsmitglieder dabei. Die deutsche Gewerkschaft IG Metall, die auch die Bereiche Textil und Bekleidung betreut, hat im November Schulungen für Vorsitzende indischer Gewerkschaften in Neu-Delhi und Bangalore durchgeführt. Darüber hinaus haben weitere Trainings mit der indischen Gewerkschaft INTUC, dem Forschungszentrum Ambeka und Gewerkschaftern der Textilindustrie stattgefunden. Denn viele Arbeiterinnen und Arbeiter wissen gar nicht, dass sie ein Anrecht auf gute Arbeitsbedingungen, einen Mindestlohn oder Sozialleistungen haben. Deshalb müssen die Gewerkschaften aktiv werden und Aufklärungsarbeit in den Fabriken leisten.

Ziel der Gewerkschaftsschulungen ist, die einzelnen Arbeiter als Multiplikatoren für Arbeiterrechte auszubilden. So können die geschulten Gewerkschaftsmitglieder als Botschafter für den Textilstandard fungieren und in ihren Arbeitsstätten ihre Kolleginnen und Kollegen über ihre Rechte informieren. Auf diese Weise kann ein Umdenken von innen heraus in den Textilfabriken stattfinden.

Gemeinsames Handeln mit starken Partnern

Für Fairtrade ist es von großer Bedeutung, mit lokalen Partnern zusammenzuarbeiten, um gemeinsam die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie zu verbessern. Der Fairtrade-Textilstandard kann nur funktionieren, wenn verschiedenste Akteure der Textilbranche abgestimmt zusammenarbeiten. Daher setzt Fairtrade auf den Multistakeholder-Ansatz und bezieht die Arbeiterschaft, Unternehmen, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und viele mehr in die Schulungen des Textilprogramms ein.

Fairtrade International schult regelmäßig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des asiatischen Fairtrade-Produzentennetzwerkes NAPP in Indien, damit sie eigenständig Schulungen vor Ort im Rahmen des Textilprogramms durchführen können. Zusätzlich hat Fairtrade die zwei Nichtregierungsorganisationen Cividep und Save als starke Partner in Indien an seiner Seite. Über Save besteht ein guter Draht zu den indischen Gewerkschaften. Mit der Fair Wear Foundation (FWF) arbeitet Fairtrade im Bereich Arbeitsrecht in der Konfektionierung zusammen.