Fairtrade: Einführung der neuen EU-Bio-Verordnung verschieben
Die neue EU-Verordnung umfasst die Vorschriften um die ökologische Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln und verschärft Vorgaben zu Produktionsstandards, Zertifizierung, Kennzeichnung und Werbung. Nur wenige Monate vor Inkrafttreten sind diese aber weder im Food-Sektor noch bei Produzentenorganisationen hinreichend verstanden oder auch nur bekannt. Fairtrade fordert die Europäische Union deshalb dringend auf, diese Vorgaben zu ändern sowie die Einführung der neuen Regelungen um mindestens 15 Monate zu verschieben, weil die Regelungen an der Realität im globalen Süden vorbei gehen.
Besonders problematisch: Erzeugergemeinschaften, die konventionellen wie auch Bio-Landbau betreiben, dürfen demnach künftig keine konventionellen Mitglieder mehr haben, wenn sie Bioprodukte in die EU exportieren wollen. Zudem müssen alle unter der neuen Betriebsgrößen- und Bio-Umsatzgrenze liegen – das bedeutet weniger als 5 Hektar Gesamtfläche oder weniger als 25.000 Euro Bio-Umsatz und maximal 2.000 Mitglieder. Hiermit würde jegliches Betriebswachstum gedeckelt werden.
„Das betrachten wir als praxisfern und gegen die bisherige Entwicklungspolitik gerichtet“, sagt Claudia Brück, Vorständin von Fairtrade Deutschland. „Jahrelang haben wir Organisationen dahin beraten, sich in größere Einheiten zusammen zu schließen, um effizienter und wettbewerbsfähiger zu sein. Diese Entwicklung wird nun entgegen aller Sinnhaftigkeit wieder umgekehrt.“
Hoher Aufwand für Produzent*innen
Die Mehrheit der derzeit zertifizierten Erzeugergemeinschaften werde eigens für die EU-Zertifizierung neue juristische Einheiten gründen müssen, was eine große Herausforderung darstellt und drastisch höhere Kosten erzeugt, so Brück. Deswegen können derzeit rund 60 Prozent der Fairtrade-zertifizierten Bio-Kaffee- und Kakaoproduzenten sowie 95 Prozent der Fairtrade-Biobananen-Kleinproduzent*innen die neue EU-Öko-Verordnung nicht erfüllen.
Darüber hinaus müssen die neuen Anforderungen an zulässige Substanzen für den biologischen Pflanzenschutz, geklärt werden, fordert Fairtrade. Die Verfahren für Rückstandsuntersuchungen vor der Einfuhr in die EU müssen ebenfalls geändert werden, da derzeit eine notwendige Infrastruktur an Laboren nicht gegeben ist. Zudem dürfen die Kosten dieser Untersuchungen nicht zu Mehrbelastungen für Bäuerinnen und Bauern führen.
Übergangsfrist verlängern
Um das Zusammenbrechen von Lieferketten aus dem Globalen Süden zu verhindern, fordert Fairtrade, die Übergangsfrist für die Umsetzung um mindestens 15 Monate zu verlängern, also frühestens bis zum 31. Dezember 2025. Und schließlich fordert Fairtrade die EU auf, Unterstützungsmaßnahmen in Form von technischer Beratung und Finanzierung für Erzeugerorganisationen bereitzustellen, um ihnen nicht nur bei der Erfüllung der Anforderungen zu helfen, sondern auch Anreize für den ökologischen Landbau zu schaffen.
„In einer Zeit, in der die Kleinbäuerinnen und -bauern Herausforderungen wie Klimakrise, und eine Kostenexplosion bewältigen müssen, sollten sie nicht zusätzlich durch eine komplizierte EU-Regelung belastet werden, die Zusatzkosten verursacht und an der Realität vorbeigeht“, sagt Fairtrade-Vorständin Claudia Brück. Sie fordert Unternehmen und andere NGOs dazu auf, sich ebenfalls für eine Verlängerung der Einführungsfrist um 15 Monate einzusetzen. „Die EU muss nachbessern – das erwarten die Fairtrade-Bio-Produzent*innen in Asien, Afrika und Lateinamerika.“ Es bestehe die Gefahr, dass viele Bäuerinnen und Bauern aus der Biozertifizierung aussteigen.
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