"Es regnet Kinder"

Blumenarbeiterinnen leiden unter Doppelbelastung in der Corona-Krise.

Kenianische Kinder in der Tagesstätte einer Blumenfarm. © Nathalie Bertrams

Kenianische Kinder in der Tagesstätte einer Blumenfarm. Foto: © Nathalie Bertrams

„Madam, tumemwagiwa watoto" ist ein Satz, den Alice Aloo in den vergangenen Monaten immer wieder gehört hat, vor allem von Frauen. Sie ist Personalleiterin auf der Fairtrade-zertifizierten Blumenfarm Panda Flowers in Kenia. Frei übersetzt bedeutet die Aussage so viel wie, es regne Kinder. Eine Anspielung auf die seit Monaten fehlende Kinderbetreuung auf kenianischen Blumenfarmen. Mit Beginn der Corona-Pandemie im März mussten Schulen und Kindergärten landesweit schließen. Die Situation belastet vor allem Frauen, die auch hier, wie so oft, für die Kindererziehung zuständig sind. Viele wissen seitdem nicht, wie sie ihren Nachwuchs während der Arbeit betreuen sollen.

Frauen tragen Verantwortung für die Familie

Drei Viertel der Beschäftigten im ostafrikanischen Blumensektor sind weiblich. Die meisten sind Mütter – viele von ihnen stillen oder haben Kleinkindern, um die sie sich kümmern müssen. Einige der Frauen sind verheiratet, viele ziehen ihre Kinder allein groß. So oder so wird die Kinderbetreuung in Kenias Gesellschaft als Verantwortung der Frau wahrgenommen. Diese leiden unter einer enormen Doppelbelastung.

Familien kämpfen mit Mehrkosten

Um die Frauen stärker zu entlasten, haben einige Fairtrade-Blumenfarmen mithilfe der Prämiengelder Kindertagesstätten gebaut. Diese bieten Müttern auch während der Arbeitszeit eine sichere Betreuung für die Kinder. Ein Beispiel ist die Blumenfarm Panda Flowers, die eine solche Tagesstätte für rund 50 Kleinkinder betreibt.

Mit dem Auftauchen von Covid-19 mussten Kindergärten und Schulen schließen. Viele Familien kämpfen seitdem nicht nur mit der fehlenden Betreuung, sondern auch mit erheblichen Mehrkosten: „Wenn die Kinder in der Schule sind, essen sie in der Regel auch dort. Jetzt, wo alle zu Hause sind, muss man überlegen, wie man mit Frühstück, Mittag- und Abendessen umgeht. Je mehr die Kinder zu Hause sind, desto mehr essen sie", erklärt Alice Aloo, Personalmanagerin bei Panda Flowers. „Die Mütter sind davon besonders betroffen, weil sie diejenigen sind, die für die Familien kochen", fügt sie hinzu. Mehr Mahlzeiten bedeuten höhere Ausgaben für Lebensmittel, die das Budget vieler Arbeiter*innen strapazieren. Eine Rückkehr zur Normalität ist derzeit nicht in Sicht: Die Öffnung der Schulen ist frühestens für Januar 2021 geplant.

Vielen fehlt ein ganzes Monatsgehalt

Für Arbeitnehmer*innen deren Partner*innen den Arbeitsplatz verloren haben, ist die Lage besonders schwieriger. Joyce Nduta, eine Gewächshausarbeiterin bei Panda Flowers, weiß das nur zu gut. Ihr Mann arbeitete vor der Krise als Taxifahrer. Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, schränkte die Regierung den Transportsektor stark ein. Wie viele andere verlor er seinen Job. Seitdem ist die fünfköpfige Familie allein auf Joyce Einkünfte angewiesen. “Ich muss die Lebensmittel für meine Kinder rationieren. Obwohl ich weiß, dass sie davon nicht satt werden“, so die Mutter.

Auch Kindergärten auf Fairtrade-Farmen bleiben geschlossen

Die Herausforderungen, denen die Familien gegenüberstehen, spiegeln sich in der Arbeit wider. Viele Beschäftigte haben Fehlzeiten, weil sie sich zu Hause um die Kinder kümmern müssen. Wären Kindertagesstätten auf Fairtrade-Blumenfarmen in Betrieb, hätten die Mütter eine Sorge weniger. Das ist aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen aktuell noch nicht wieder möglich: „Wenn die Kinder am Ende des Tages wieder nach Hause zurückkehren, mischen sie sich unter ihre Familienmitglieder. Wenn einer von ihnen infiziert zurückkommt, wäre die Ansteckung unkontrollierbar ", erklärt Personalleiterin Alice Aloo.

Fairtrade unterstützt Familien finanziell

Bis die Kinderbetreuung wieder anlaufen kann, erhalten die Blumenfarmmitarbeiter*innen auf Fairtrade-Farmen zumindest finanzielle Unterstützung: Mithilfe der Fairtrade-Prämien haben Arbeiter*innen bereits über eine Million Euro für Lebensmittel- und Hygienematerialien bekommen. Darüber hinaus haben 46 Blumenfarmen Gelder aus dem Fairtrade-Corona-Hilfsfonds erhalten. Das löst zwar nicht das Betreuungsproblem, erleichtert den Frauen aber zumindest die finanziellen Sorgen.