25.500 Textilarbeiter*innen zu Beschwerdemechanismen geschult

Erfolgreich abgeschlossen: Gemeinsames Projekt von Fairtrade Deutschland, GIZ und Textilherstellern zur Stärkung von Beschwerdemechanismen in der pakistanischen Textilindustrie 

Männlicher Arbeiter sitzt an einem Tisch mit Textilien. Ziel von Fairtrade und dem gemeinsamen Projekt von Fairtrade Deutschland, GIZ und Textilherstellern sind bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in der Textilbranche. Foto: Fairtrade/Joséphine Lefebvre

Ziel von Fairtrade und dem gemeinsamen Projekt von Fairtrade Deutschland, GIZ und Textilherstellern sind bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in der Textilbranche. Foto: Fairtrade/Joséphine Lefebvre

Das Projekt wurde im Februar 2021 mit dem Ziel gestartet, Lieferanten bei der Einführung oder Weiterentwicklung effektiver interner Beschwerdemechanismen zu unterstützen und Management sowie Arbeiter*innen in einen Dialog zu bringen, um Vorfälle und Beschwerden zu lösen. Die Beschwerden können Aspekte wie z.B. unsicheres Arbeitsumfeld, erzwungene Überstunden, unzureichende Löhne, Belästigung betreffen. Mit Abschluss des Projekts wurden in 16 Fabriken Beschwerdekomitees eingerichtet. 303 Arbeiter*innen, ausgebildet als Mastertrainer*innen, schulten mehr als 25.500 Mitarbeitende in 640 individuellen Orientierungssitzungen.

Das Bündnis für nachhaltige Textilien (BnT), das GIZ-Programm TextILES, Fairtrade Deutschland und die Unternehmensmitglieder Primark, Takko, HUGO BOSS, Kettelhack und tex idea setzten das Projekt gemeinsam um. Der Projektaufbau basierte auf den Erfahrungen und Praktiken des Fairtrade-Textilprogramms, das seit 2014 in Indien erfolgreich umgesetzt wird. Das Projekt begann Ende März mit einem Trainingsseminar in Dubai, bei dem Fairtrade-Trainer*innen aus Indien ihr Wissen mit dem ausgewählten Trainer*innenteam aus Pakistan teilten. In der Zwischenzeit führten die fünf Bündnismitglieder Gespräche mit ihren Lieferanten zur Teilnahme am Projekt.

Kick-off Meetings in Punjab und Karatchi

Insgesamt wählten die Mitgliedsunternehmen neun Fabriken für die Zusammenarbeit aus. Sieben weitere wurden vom GIZ-Programm TextILES nominiert, das über langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der pakistanischen Textilindustrie zu Nachhaltigkeitsthemen verfügt. Die teilnehmenden Zulieferer wurden zu einem Kick-off-Meeting in Punjab oder Karatchi eingeladen, um sich über die Projektdetails, die rechtliche Situation in Pakistan sowie die Grundlagen effektiver Beschwerdemechanismen zu informieren. Diese beiden Sitzungen wurden von den Beteiligten gut aufgenommen.

Aufbau von Beschwerdekomitees in 16 Fabriken

Das lokale Ausbilderteam machte sich in allen 16 Fabriken ein Bild der Ausgangslage. Die Daten zeigten, dass die Mehrheit der Fabriken vor Beginn des Projekts keine Beschwerdekomitees eingerichtet hatte. Dort wo es sie gab, hatten die Arbeiter*innen kaum Kenntnis über ihre Funktionen. Nur in einer einzigen Fabrik gab es ein Verzeichnis der Beschwerdefälle. Daraufhin wurden in allen 16 Fabriken Beschwerdekomitees eingerichtet und geschult. Sie bauten ihre Fähigkeiten aus und stärkten Verantwortlichkeiten. Die Komitees erhielten auch Materialien wie Vorlagen für die Einreichung und Dokumentation (in Englisch und Landessprache) von Beschwerden.

Um sicherzustellen, dass alle Arbeitnehmenden mit den neuen Strukturen vertraut sind, führte das Team verschiedene Schulungen durch, in denen 230 männliche und 73 weibliche Arbeitnehmende als Master-Trainer*innen ausgebildet wurden. Anders als in anderen Textilproduktionsländern ist die Belegschaft in Pakistan überwiegend männlich. Die Master-Trainer*innen erwarben Kenntnisse über die Rechte der Arbeitnehmenden und das Beschwerdeverfahren. Sie entwickelten selbst ein Vorgehen mit dem Ziel, ihr Wissen an die gesamte Belegschaft weiterzugeben. In insgesamt 640 individuellen Orientierungssitzungen gaben diese 303 Master-Trainer*innen die Informationen an mehr als 25.500 Kolleg*innen weiter - während oder zwischen den Schichten in der Fabrik.

Projektteilnehmende unterstützen die Fortsetzung des Projekts

Der lokale Projektkoordinator führte im November und Dezember 2022 Nachprüfungen durch. Das Ergebnis: In allen 16 Fabriken wurden Beschwerdekomitees eingerichtet und die Mitglieder dieser Komitees sowie die jeweiligen Verfahren sind der Belegschaft bekannt. Zum Abschluss des Projekts lud das lokale Trainer*innenteam das Management aller teilnehmenden Zulieferer zu gemeinsamen Austauschtreffen in Punjab und Karatchi ein, um ihre Erkenntnisse und Ergebnisse zu präsentieren sowie Erfahrungen zu teilen. Alle Teilnehmenden zeigten sich sehr aufgeschlossen und engagiert. Darüber hinaus wurde eine externe Evaluierung durchgeführt, um die Auswirkungen der Projektmaßnahmen zu bewerten. Die Ergebnisse zeigen, dass alle teilnehmenden Fabriken Beschwerdekomitees eingerichtet haben und alle Mitglieder in ihren Aufgaben und Verantwortlichkeiten geschult wurden. Fast alle Arbeiter*innen (mehr als 90 %), die nach dem Zufallsprinzip für Interviews ausgewählt wurden, bestätigen, dass sie mit dem neu eingerichteten Beschwerdemechanismus zufrieden oder sogar sehr zufrieden sind.

Einige Befragte nannten Beispiele für konkrete Veränderungen nach der Implementierung: “Ich denke, dass das Beschwerdemanagementsystem ganz besonders der weiblichen Arbeiterschaft zugutekommt [...]. Die Auswirkungen des Systems sehe ich darin, dass die Arbeiterinnen dem Beschwerdemanagement-Komitee ihre Bedenken zuvor über fehlende Ausstattung und Erholungsmöglichkeiten während der Pausenzeiten mitgeteilt haben. Jetzt haben die Frauen in unserer Fabrik einen separaten Gebetsbereich für Frauen, eine Kindertagesstätte für Frauen mit minderjährigen Kindern, einen speziellen Kantinenbereich für Frauen in der Fabrik, und all dies geschah nach der Gründung des Beschwerdemanagement-Komitees und als die Bedenken der Frauen hervorgehoben wurden. Wir können mit Sicherheit sagen, dass das neue Beschwerdemanagementsystem Ungleichbehandlung minimiert hat.”

Das Projekt wurde gemeinsam durch Beiträge der GIZ, der fünf Partnerunternehmen und Fairtrade Deutschland finanziert. In regelmäßigen Treffen kamen die Marken, die GIZ und Fairtrade Deutschland zusammen, um den Projektfortschritt zu besprechen. Während diese Projektphase nun zu Ende geht, war sich die Gruppe bereits einig, dass die positive Resonanz nach einer Fortsetzung der Arbeit vor Ort ruft. “Es ist großartig zu sehen, dass die Maßnahmen für die Fabriken von Bedeutung waren und einige unmittelbare Veränderungen für die Arbeiter brachten. Nun rufen wir Marken und Fabriken gleichermaßen auf, die Arbeit zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch Beschwerdemechanismen und weitere Instrumente fortzusetzen. Wir sind bereit, durch unser Fairtrade-Textilprogramm und unseren Standard zu unterstützen.”, sagte Dr. Bettina von Reden, Head of International Projects and Partnerships von Fairtrade Deutschland.