Was bisher geschah –

ein Jahr nach der Einführung des Fairtrade-Textilstandards und -Textilprogramms

Vor etwas über einem Jahr haben sich die ersten Unternehmen – Brands Fashion, 3FREUNDE und MELAWEAR – bereit erklärt mit Fairtrade gemeinsam den Weg hin zu einer fairen Lieferkette zu gehen. Die Unternehmen und ihre Lieferanten in Indien haben in der Zwischenzeit mit viel Engagement daran gearbeitet, dass sich die Fabriken für die Beratung durch die Fairtrade-Mitarbeiter öffnen und so für die Beschäftigten bessere Arbeitsbedingungen erzielt werden können.

Ein Produkt mit der Kennzeichnung „Fairtrade Textile Production“ können Verbraucher zwar noch nicht im Laden finden, trotzdem hat sich bereits einiges bewegt: In den vergangenen Monaten wurden vor allem Pre-Assessments und Orientierungs-Trainings in verschiedenen Fabriken durchgeführt. Dabei ging es darum, die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Unternehmen und deren Beschäftigten zu erfassen, um dann Schulungen anzubieten, die genau auf diese zugeschnitten sind. Die Fabriken sollen so auf die Anforderungen des Textilstandards vorbereitet werden.

All diese Maßnahmen finden im Rahmen des Fairtrade-Textilprogramms statt. Unabhängige Experten überprüfen den Betrieb hinsichtlich der Einhaltung von Arbeitsrechten, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Entlohnung, sozialer Absicherung der Beschäftigten, Umweltschutz, Produktivität, Organisation der Produktion etc. und erstellen eine Empfehlung, in welchen Bereichen Verbesserungen notwendig sind, um später die Fairtrade-Zertifizierung nach dem Textilstandard zu erreichen. In Workshops diskutieren die Beschäftigten unter anderem das Modell einer „fairen Fabrik“ und definieren ihre eigene Rolle dabei.
Darauf basierend erarbeiten die Mitarbeiter des Network of Asian and Pacific Producers (NAPP) in Bangalore gemeinsam mit den Betrieben einen Plan zur Umsetzung dieser Empfehlungen.

Die drei Unternehmen aus Deutschland haben gemeinsam eine Förderung des Textilprogramms in Indien als Entwicklungspartnerschaft beim develoPPP.de-Programm (GIZ) beantragt, um als Vorreiter die Wirkung des Textilprogramms vor Ort zu verbreitern.

Auch in Großbritannien wurde inzwischen ein erster Partner gewonnen: Die National Union of Students wird mit dem Fair Fashion Label Epona der erste britische Partner für den Textilstandard.

Ausbau des Textilprogramms

Das Textilprogramm nimmt im Moment den wichtigsten Teil bei der Zusammenarbeit mit den Fabriken ein und wurde in den letzten Monaten kontinuierlich weiterentwickelt. Schwerpunkte sind die Bereiche der Arbeitnehmervertretung und Arbeitsverträge; Lohn- und Produktivitätssteigerung und Arbeitssicherheit.
Ein wichtiger Punkt ist zudem die Organisation von demokratischen Wahlen für die im Fairtrade-Standard vorgeschriebenen Komitees. Hier müssen die Beschäftigten und das Management geschult werden, wie solche Wahlen stattfinden müssen, wer in die Komitees gewählt werden kann und welche Aufgaben damit verbunden sind. In den letzten Monaten fanden knapp 20 Trainings in verschiedenen Betrieben unterschiedlicher Produktionsstufen statt.

Fairtrade hat außerdem Messgrößen entwickelt und getestet, um die Verbesserung der Arbeitssituation vor Ort mittel- und langfristig zu evaluieren.

Kooperationen mit anderen Organisationen und Partnern in Indien

Mit der Fair Wear Foundation (FWF) hat Fairtrade im Bereich Arbeitsrecht in der Konfektionierung zusammengearbeitet und gemeinsam Schulungsinhalte abgestimmt. Zukünftig wird auch im Bereich der Audit-Anerkennung eine gegenseitige Anerkennung für bestimmte Kriterien aus dem Fairtrade-Standard angestrebt.
Zudem erkennt FT bereits den SA 8000 Standard an, sodass die Fabriken nicht doppelt nach den gleichen Kriterien auditiert werden müssen.

Auch mit anderen Partnern, wie den indischen NGOs Save und Cividep, indischen Gewerkschaftsvertretern (INTUC), Don Bosco Vocational Schools und der Awaj Foundation in Bangladesch, wurden intensive Gespräche geführt und es wird weiter an Kooperationen gearbeitet. Für Fairtrade ist es von großer Bedeutung lokale Partner zu haben und nicht isoliert zu arbeiten, um einen partnerschaftlichen Austausch zu gewährleisten und gemeinsam die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Der Textilstandard  akzeptiert darüber hinaus verschiedene verantwortlich produzierte Fasern: Diese sind bisher, neben Fairtrade-Baumwolle, BIO-Baumwolle, Lenzing Viscose-Modal-Tencel, Seed Cotton EU und USA und Cotton Made in Africa. Weitere Anerkennungen sind für 2017 geplant.

Existenzsichernder Lohn für Tirupur wurde definiert

Der Living Wage Report für die Region Tirupur ist kürzlich erschienen. Die Global Living Wage Coalition hat sich dabei mittels der international vereinbarten Anker-Methode (PDF, 702KB) auf den existenzsichernden Lohn von 14.250 INR (206 €) festgelegt. Diesen Lohn müssen die Unternehmen – laut Fairtrade-Standard – in spätestens sechs Jahren erreichen und dafür vor der ersten Zertifizierung gemeinsam mit den Arbeiterinnen und Arbeitern einen verbindlichen Plan erarbeiten. Eine Infografik (PDF, 1,96MB) dazu ist bereits erschienen, der vollständige Bericht erscheint in Kürze.

Fairtrade hat hier bereits erste Kalkulationen und Verhandlungen für Lohnsteigerungen mit den Markenfirmen begleitet. Im Dezember 2016 hat sich als erstes deutsches Unternehmen Mela Wear dazu bekannt, zusätzliche Zahlungen zur Ermöglichung der existenzsichernden Löhne in ihrer Lieferkette zu tätigen. In weiteren Betrieben laufen die Kalkulationen. Außerdem werden weitere Benchmarks für existenzsichernde Löhne in anderen Kernregionen der Textilproduktion angestoßen.