Stellungnahme zum Buch “The Fair Trade Scandal: Marketing Poverty to Benefit the Rich”

Das kürzlich veröffentlichte Buch “The Fair Trade Scandal: Marketing Poverty to Benefit the Rich” von Ndongo S. Sylla bietet intellektuelle Kritik an der Fairtrade-Bewegung, ihren Zielen und Auswirkungen. Wir bei Fairtrade International begrüßen konstruktive Kritik, da wir sie dazu einsetzen können, unser System und unseren Ansatz laufend zu verbessern. Wir sind jedoch der Meinung, dass der Kernpunkt der von Herrn Sylla angebrachten Kritik auf unrealistischen Erwartungen beruht, was Fairtrade leisten kann und sollte.

Herr Sylla kritisiert, dass Fairtrade sich nicht vom "neoliberalen" Handelssystem befreit hat. Er argumentiert, dass Fairtrade eine "Neuauflage des Prinzips des freien Marktes" statt vielmehr eine Alternative zur Marktwirtschaft darstellt. Das ist teilweise richtig. Um den Bauern und Arbeitern bessere Bedingungen verschaffen zu können, muss Fairtrade innerhalb bestehender Marktstrukturen funktionieren.

Einige Elemente der Kritik von Herrn Sylla liegen daher außerhalb der Kontrolle von Fairtrade. Er ist beispielsweise der Meinung, dass die Produzenten einen höheren Prozentsatz des Endverbraucherpreises erhalten sollten.  Diesen Grundgedanken unterstützen wir zwar, Fairtrade hat aber aus rechtlichen Gründen kein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Einzelhandelspreise. Wir stellen stattdessen sicher, dass die Produzenten vor Ort für ihre Produkte einen gerechteren Preis erhalten, und zwar ungeachtet des letztendlichen Preises, den die Verbraucher zahlen.

Zu den weiteren Aspekten gehören bewusste Entscheidungen, die wir getroffen haben, um bedeutende Veränderungen und Auswirkungen zu erzielen. Herr Sylla stellt die Entscheidung von Fairtrade in Frage, mit großen Einzelhandelsketten und Unternehmen zusammenzuarbeiten, während er gleichzeitig dafür plädiert, dass die Bauern ihre Absätze zu Fairtrade-Bedingungen erhöhen müssen. Genau aus diesem Grund arbeiten wir mit einer breiten Vielfalt an Unternehmen zusammen - von kleinen Läden bis hin zu großen, etablierten Marken. Aufgrund der groß angelegten Verpflichtungen und globalen Partnerschaften können wir viel mehr Bauern, Arbeiter und Verbraucher erreichen, das Bewusstsein in der Öffentlichkeit stärken und letztendlich die Nachfrage für Fairtrade-zertifizierte Produkte erhöhen. Mit unserem Ansatz wollen wir die Unternehmen dazu ermutigen, den Handel von innen heraus zu verändern.

Herr Sylla kritisiert weiterhin den relativ kleinen Einfluss, den Fairtrade auf die weltweite Armut hat. Wir bei Fairtrade behaupten aber gar nicht, dass unser Ansatz ganze Länder aus der Armut führen könne oder die Armut auf der gesamten Welt angehen könne. In unserer Arbeit konzentrieren wir uns ganz speziell auf Kleinbauern und Arbeiterinnen und Arbeiter, indem wir diese darin unterstützen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern und indem wir das Umfeld, in dem sie leben, stärken. Es gibt immer mehr Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass Fairtrade ganz reale Auswirkungen auf das Leben von über 1,4 Millionen Bauern und Arbeitern weltweit hat.

Eine kürzliche Studie vom Centre for Evaluation (CEval) hat beispielsweise die Fairtrade-Zertifizierung mit verbesserten Lebensbedingungen und einer verbesserten Kontrolle der Lieferketten vonseiten der Kleinbauern in Verbindung gebracht sowie mit verbesserten Arbeitsbedingungen für Plantagenarbeiter. Diesem Bericht lagen weitreichende qualitative und quantitative Datenanalysen zugrunde, die anhand von Fallstudien bei sechs verschiedenen Produzentenorganisationen erhoben worden waren.

Fairtrade will letztendlich das Ungleichgewicht im weltweiten Handel durch eine Stärkung der Stellung der Bauern und Arbeiter angehen. Unsere Standards verstehen sich als Werkzeug für gemeinschaftsbezogene Entwicklungsprojekte, die über den Fairtrade-Mindestpreis und die Fairtrade-Prämie hinaus Veränderungen bringen sollen. Indem wir die Produzenten dabei unterstützen, starke Organisationen aufzubauen, können diese auch ihre Kosten reduzieren, eine Struktur zur Produktivitätsverbesserung erstellen und gemeinsam Investitionen tätigen und Verhandlungen führen, zu denen sie sonst nicht in der Lage gewesen wären. Unser System folgt dieser anderen Vision, in der Produzenten eigenständig eine bedeutende Rolle in der globalen Ordnung spielen.

Fairtrade ist ein System, das sich fortwährend entwickelt, und wir tun alles erdenkliche, um den Handel fairer zu gestalten. Wir behaupten nicht, eine perfekte Lösung für die vielen Probleme im internationalen Handel parat zu haben - wir sehen uns vielmehr als Teil dieser Lösung. Mit zunehmendem Wachstum haben wir unser Zertifizierungssytem gestärkt und vertrauen auf die Macht unserer Standards als Werkzeug für die Produzenten, Händler und Unternehmen, fairere Handelsbeziehungen zu gestalten und die Bauern und Arbeiter darin zu stärken, sich im unnachgiebigen internationalen Handel zu behaupten.