Statement zum "Montags-Check"

Der ARD "Montags-Check" vom 6. Juni 2016 "Vorsicht, Verbraucherfalle" setzte sich unter anderem mit verschiedenen Nachhaltigkeits- und Fairhandelssiegeln auseinander. Wir bedauern, dass der Autor nicht die vorliegenden Informationen in seinem Beitrag nutzt und Verbrauchertäuschung suggeriert, wo das Fairtrade-System transparente und öffentlich nachlesbare Regelungen vorschreibt. So stellt der Autor im Beitrag ein Eis her, das nach Aussagen des Autors den Fairhandelsregeln entsprechen soll. Wir stellen fest: dieses selbst kreierte Eis entspricht nicht den Fairtrade-Regeln und hätte niemals das Fairtrade-Siegel erhalten.

Es ist uns unverständlich, warum der Autor die wichtigste Fairtrade-Regel nicht erwähnt. Diese lautet: Alle Zutaten, die fair gehandelt verfügbar sind, müssen auch zu 100 Prozent nach Fairtrade-Standards gehandelt worden sein. Bei Schokolade heißt das beispielsweise Kakaopulver, Kakaobutter, Zucker und ggf. Vanille. Für Weizen, Sahne oder Eier, die in Europa angebaut werden, gibt es keine Fairtrade-Standards, da sich diese nur auf Rohstoffe des globalen Südens beziehen. Daher liegt bei Produkten, wie beispielsweise Eiscreme oder Butterkeksen, der Fairtrade-Anteil bemessen am Gesamtgewicht niedriger. Dennoch gilt auch hier: Alle Zutaten, die fair verfügbar sind, wurden auch 100 Prozent fair gehandelt, mindestens muss dieser Anteil 20 Prozent ausmachen. Der Fairtrade-Anteil ist auf der Zutatenliste klar ausgezeichnet.

Auch der Mengenausgleich ist falsch dargestellt: Physische Rückverfolgbarkeit ist bei den meisten fair gehandelten Rohstoffen verpflichtend. Ausnahmen sind Kakao, Zucker, Tee und Saft, die ohne diese Option nicht am fairen Handel teilnehmen könnten. In der Animation heißt es: „Später darf der Hersteller einen Teil der Produkte dann als 100% Fairtrade auszeichnen, obwohl viel weniger Fairtrade drinsteckt.“ Der Hersteller darf ausschließlich die Menge an Waren kennzeichnen, die der Menge entspricht, die im Ursprung unter fairen Bedingungen eingekauft wurde. Dies wird von Flocert überprüft und sorgt dafür, dass auch Produzentenorganisationen ohne die Option für die selbständige Weiterverarbeitung von Fairtrade profitieren können. Der Mengenausgleich ist für uns eine entwicklungspolitische Brücke, um Produzentenorganisationen am Fairen Handel zu beteiligen und sie an den Mindestpreisen, Prämien, Beratung und Schulungen zu beteiligen.

Wir begrüßen, dass der Autor am Ende des Beitrages ausdrücklich Fairtrade empfiehlt und die Ergebnisse der Stiftung Warentest zu Nachhaltigkeitssiegeln zitiert. [Link zur Website der Sendung]

Im Folgenden möchten wir auf weiterführende Informationen verweisen:

In der Sendung wird behauptet, dass von einem Euro eines Fairtrade-Produkts beim Bauern nur 3 Cent ankommen. Der tatsächliche Anteil ist deutlich höher: Vergleicht man die globalen Umsatzzahlen mit Fairtrade-Produkten 2014 von 5,9 Mrd. Euro mit den von Produzenten gemeldeten Einnahmen durch Fairtrade-Verkäufe von 951 Mio. Euro und der zusätzlichen Fairtrade-Prämien von 106,2 Mio. Euro, liegt der Anteil, der an die Produzentenorganisationen geht, über alle Produktgruppen bei 18 Prozent.

Der Anteil am tatsächlichen Endprodukt, den Produzenten erhalten, ist je nach Produkt und dessen jeweiliger Verarbeitungskette sehr unterschiedlich: Bei einer Banane ist der Anteil der Bauern an der Wertschöpfungskette natürlich viel höher als beispielsweise bei einer Schokolade bestehend aus verschiedenen Zutaten: Bei einer Tafel Schokolade machen die Kakaobohnen oder auch der Zucker nur einen Teil des finalen Produkts aus und der Wert des Endprodukts steigt durch diverse weitere Zutaten, durch die verschiedenen Verarbeitungs- und Veredelungsschritte und auch durch Bereiche wie Logistik, Produktdesign, Verpackung oder Marketing.

Ungeachtet dessen, wie viel Verbraucherinnen und Verbraucher für ein Endprodukt zahlen, stellt Fairtrade sicher, dass die Produzenten vor Ort für ihre Produkte einen stabilen Preis erhalten, der die Kosten einer nachhaltigen Produktion deckt. Er dient als Sicherheitsnetz, vor allem bei tiefen Weltmarktpreisen, da Fairtrade diese Schwankungen abfedert. Verschiedene Studien bestätigen: Kleinbauern haben durch Fairtrade mehr Planungssicherheit und verfügen über stabilere und meist höhere Haushaltseinkommen.

Die Mitglieder von Kavokiva entschieden per demokratischen Beschluss, mit den Prämieneinnahmen eine Krankenstation für die Mitglieder nebst Krankenversicherung aufzubauen. Nach Auskunft unserer BeraterInnen in der Elfenbeinküste war dies eines der ersten Projekte, das mit Prämiengeldern in Angriff genommen wurde. Die Krankenversicherung deckte demnach die Kooperativenmitglieder mit bis zu vier Familienmitglieder ab und ermöglichte den Bauern unter anderem eine kostenfreie Behandlung in der Krankenstation, Transport zu einem größeren Krankenhaus und Kostenübernahme für Medikamente – alles Kosten, die in einer öffentlichen Klinik von den Patienten selbst übernommen werden müssen. Gerade wegen möglicher Folgekosten von Behandlungen – insbesondere Medikamente – scheuen sich viele Bauern, bei Beschwerden in ein öffentliches Hospital zu gehen.

Die Klinik wurde von Kavokiva aufrecht erhalten bis 2010 nach den Wahlen in der Elfenbeinküste ein bürgerkriegsähnlicher Konflikt ausbrach. Kavokiva wurde hiervon hart getroffen: Nach Beendigung der Regierungskrise 2011 musste die Kooperative quasi von Null starten und die Finanzmittel für den Wiederaufbau nutzen. Die Fairtrade-Verkäufe gingen drastisch zurück und die finanzielle Situation wurde so prekär, dass die laufenden Kosten der Gesundheitsstation nicht mehr getragen werden konnten.

Erst seit 2014 kommt die Organisation nach Informationen von Fairtrade Africa langsam wieder auf die Beine, braucht aber dringend finanzielle Mittel zum weiteren Aufbau. Seit 2015 arbeitet Kavokiva mit der Mikrofinanz-Organisation Shared Interest zusammen.

Mit dem Start des Kakaoprogramms 2014 und dem damit einhergehenden Ausbau der Unterstützungs- und Aufbauarbeit von Fairtrade Africa im Westafrikanischen Kakaosektor haben bei Kavokiva mehrere Trainings stattgefunden zu Themen wie Organisationsführung, Gute Landwirtschaftliche Praktiken (GAP) und Aufbau interner Kontrollsysteme.

Noch hat die Generalversammlung nicht entschieden, was mit der Krankenstation passieren soll. Jacques Aboule, Fairtrade-Berater in der Elfenbeinküste ist überzeugt:

„Meiner Meinung nach hoffen die Kakaobauern darauf, dass ihre Verkäufe wieder soweit steigen, dass sie den Betrieb der Krankenstation mit Hilfe der Prämie wieder aufnehmen können. Wir als Berater vor Ort können lediglich beraten, aber die Entscheidung liegt bei den Bauern selbst. Wenn jemand helfen möchte, das Problem zu lösen, wäre der beste Weg, ihnen zu helfen, ihre Fairtrade-Verkäufe zu erhöhen.“

Zusätzlich zu den Verkaufspreisen für ihre Rohstoffe bekommen die Produzentenorganisationen eine Fairtrade-Prämie für Gemeinschaftsprojekte in ihrem Lebens- und Arbeitsumfeld. Die Prämie wird von den Kleinbauernorganisationen z.B. für Organisationsentwicklung, Lagerhallen, die Anschaffung von Maschinen oder Transportfahrzeugen, für Erwachsenenbildung, Bau von Schulen und Kindergärten oder für andere Projekte verwendet, die die Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen der Produzenten verbessern. Über die Verwendung entscheiden allein die Produzenten in demokratischer Abstimmung: In den Kleinbauernkooperativen fällt die Entscheidung im Rahmen der Mitgliederversammlung.

Fairtrade International und die kontinentalen Produzentennetzwerke unterstützen die Produzentenorganisation beim Erstellen eines Entwicklungs- und Umsetzungsplans für die Verwendung der Prämien sowie durch Schulungen, beispielsweise zu Projektmanagement oder Finanzwesen. Der „Development Plan“ (PDF) gibt Ideen und Hinweise, in welchen Bereichen sich eine Organisation besonders engagieren kann, was auch die Prämiennutzung beinhaltet. Das „Explanatory Document“ (PDF) zur Prämiennutzung erklärt die Prozesse, die Kleinbauernorganisationen berücksichtigen müssen. Dennoch: auch Fairtrade International und die Produzentennetzwerke haben letzten Endes eine beratende Funktion, aber keine Weisungs- oder Entscheidungshoheit.

In seinen Audits überprüft FLOCERT, ob die Entscheidungsprozesse sowie Einsatz und Finanzierung der Prämiennutzung gemäß der Standards umgesetzt wurden. Auf die Projektauswahl hat FLOCERT keinen Einfluss.

Kleinbauernorgaisationen erhalten von Fairtrade eine Reihe von Unterstützung zur Nutzung der Fairtrade-Prämie, aber die letztendliche Entscheidung wird von den Organisationen selbst im Rahmen der Mitgliederversammlung getroffen. Die folgenden Dokumente verweisen auf diesen Punkt:

•    SPO Standard, section 4.1
•    Cocoa SPO Standard, sections 4.3.7 and 4.3.8
•    SPO Standard explanatory document, p 54-55
•    Fairtrade Planning and Reporting Template
•    Guidance document on Fairtrade Standard for Cocoa for Small Producer Organizations Productivity and quality improvement (PDF, 1 MB)

Grundsätzlich gilt für Mischprodukte mit dem Fairtrade-Siegel: Alle Zutaten, die fair gehandelt verfügbar sind, müssen auch nach Fairtrade-Standards gehandelt worden sein. Bei Schokolade heißt das beispielsweise Kakaopulver, Kakaobutter, Zucker und ggf. Vanille. Der Anteil liegt dort durch diese Grundregel automatisch bei zwischen 60 und 100 Prozent. Für Weizen, Sahne oder Eier gibt es keine Fairtrade-Standards, da sich diese nur auf Rohstoffe des globalen Südens beziehen. Daher liegt bei Produkten, wie beispielsweise Eiscreme oder Butterkeksen, der Fairtrade-Anteil bemessen am Gesamtgewicht niedriger. Dennoch gilt auch hier: Alle Zutaten, die fair verfügbar sind, wurden auch komplett fair gehandelt, mindestens muss dieser Anteil 20 Prozent ausmachen. Der Fairtrade-Anteil ist auf der Zutatenliste klar ausgezeichnet.

Physische Rückverfolgbarkeit ist bei den meisten fair gehandelten Rohstoffen verpflichtend. Ausnahmen sind Kakao, Zucker, Tee und Saft. Sie dürfen im Verarbeitungsprozess mit konventionellen Rohstoffen verarbeitet werden, weil dies die einzige Möglichkeit ist, dass beispielsweise Kakaobauern in Westafrika oder Zuckerbauern in Malawi am fairen Handel teilnehmen können. Aufgrund fehlender eigener Verarbeitungsanlagen würde sie eine verpflichtende physisch getrennte Verarbeitung schlimmstenfalls komplett vom fairen Handel ausschließen. Für Produkte mit der Kennzeichnung Mengenausgleich gilt: Inhaltsstoffe sind aufgrund technischer Erfordernisse nicht notwendigerweise physisch identisch mit den Rohstoffen, die von einer Fairtrade-Produzentenorganisation erzeugt wurden. Der Mengenausgleich trägt jedoch in gleichem Maße dazu bei, dass Produzentenorganisationen von Fairtrade profitieren: durch höhere Absätze unter Fairtrade-Bedingungen, durch Mindestpreise und Prämien, durch Beratung und Schulungen.

Fairtrade arbeitet in einem Spannungsfeld, das auf der einen Seite die Erwartungshaltung von Verbraucherinnen und Verbrauchern nach schnellen Lösungen und einfacher Kommunikation und andererseits die Komplexität globaler Warenströme und Welthandelsstrukturen umfasst. Wir sind uns unserer verschiedenen Herausforderungen durchaus bewusst.

Stiftung Warentest bescheinigt Fairtrade hohe Aussagekraft

In ihrer Mai-Ausgabe 2016 bewertete die Stiftung Warentest verschiedene „Nachhaltigkeitssiegel“. Drei Standards schneiden besonders positiv ab: darunter Fairtrade. Das Testfazit bescheinigt dem Siegel eine hohe Aussagekraft. In ihrem Fazit schreibt die Stiftung Warentest (StiWa), Fairtrade weise sehr starke übergreifende Standard-Kriterien auf. Besonders positiv bewertete die StiWa die stabilen Mindestpreise für Rohwaren und zusätzliche Prämien, die gute Rückverfolgbarkeit bis zum Ursprung, die guten Kontrollmechanismen sowie vielfältige Wirkungsanalysen.

Die Stärkung von Kleinbauern und Arbeitern, genannt Empowerment, ist eine langfristige Aufgabe, die den Aufbau von Fachwissen, Selbstbewusstsein und Ressourcen beinhaltet. Dieser Weg ist nicht frei von Rückschlägen, aber die Stimmen der Produzentenorganisationen und die Ergebnisse unabhängiger Studien, die immer wieder bestätigt haben, welche positive Wirkung Fairtrade vor Ort für die Menschen hat, unterstützen uns in der Auffassung, dass der Faire Handel ein wirkungsvolles Mittel ist, um ungerechte Handelsbedingungen zu bekämpfen und die Rechte von benachteiligten Bevölkerungen im internationalen Handel zu stärken.