„Wer morgen noch Schokolade essen will, muss heute Kakaobauern angemessen bezahlen“

Fairtrade erhöht Mindestpreis für Kakao um 20 Prozent | Kakao-Produzenten fordern auf der ISM Engagement von Industrie und Handel

Die Süßwarenbranche erkennt die Bedrohung ihrer Lieferketten und reagiert: 2018 stieg der Absatz von fairem Kakao ersten Hochrechnungen zufolge um 35 Prozent auf rund 50.000 Tonnen Kakao. Der Marktanteil liegt mittlerweile bei zehn Prozent. | Foto: Sean Hawkey

Köln, 28. Januar: Bunt und süß präsentiert sich aktuell die Süßwarenmesse ISM in Köln. Kakaobauern sehen ein anderes Bild: In Westafrika leben viele von ihnen unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Deshalb erhöht Fairtrade seinen Mindestpreis für Kakao um 20 Prozent, von 2.000 auf 2.400 US-Dollar pro Tonne. „Für die Kleinbauern ist die Preiserhöhung ein wichtiger Schritt zu besseren Einkommen“, sagte Adama Diarrassouba, Direktor der Kakaokooperative ECAKOG aus der Elfenbeinküste. „Langfristig lässt sich die Kakaolieferkette nur sichern, wenn sich der Anbau für die Menschen lohnt.“

In der Branche bewegt sich endlich etwas. Die Fairtrade-Kakaoabsätze in Deutschland steigen: 2018 nach ersten Hochrechnungen um gut 35 Prozent auf rund 50.000 Tonnen. Um existenzsichernde Einkommen im Kakaoanbau zu erreichen, verkündeten TransFair und das Entwicklungsministerium nun den Start einer strategischen Partnerschaft.

Zusammenarbeit mit BMZ zu existenzsicherenden Einkommen

„Schokolade ist die Lieblingssüßigkeit der Deutschen. Aber sie hat immer noch eine bittere Seite: Hungerlöhne, Armut, Kinderarbeit. Wir müssen den Menschen endlich faire Preise zahlen, damit die Bauern von ihrem Einkommen leben können und kein Kind mehr auf den Plantagen schuften muss. Fairtrade ist hier unser strategischer Partner. Mit einer klaren Strategie für existenzsichernde Einkommen wollen wir auf diesem Weg schneller vorankommen,“ so Bundesminister Gerd Müller. Der Startschuss am Rande der Internationalen Grünen Woche in Berlin besiegelt das Vorhaben eines gemeinsamen Pilotprojekts zur Existenzsicherung von Kakaobauern in der Elfenbeinküste. Diese soll Kleinbauernfamilien bessere Perspektiven und ein Leben oberhalb der Armutsgrenze verschaffen.

Kakaoanbau – weg von der absoluten Armutsgrenze

2017 brach der Kakao-Weltmarktpreis um mehr als ein Drittel ein. Die Folge: dramatische Einnahmeverluste für viele Kakaobauern. Fairtrade ist das einzige Zertifizierungssystem mit einem verpflichtenden Mindestpreis. Er dient als Sicherheitsnetz gegen die Schwankungen. „Für Fairtrade war die Erkenntnis ein Schock, dass viele Kakao-bauernfamilien in Westafrika auch innerhalb des Netzwerks unter der absoluten Armutsgrenze leben. Die 20 Prozent höheren Preise sind ein Schritt, um raus aus dem roten Bereich kommen zu können“, erklärte Jon Walker, Kakao-Verantwortlicher bei Fairtrade International: „Auch die Fairtrade-Prämie haben wir erhöht. Die Kooperativen nutzen dieses Geld, um ihre Organisation zu stärken, für Direktleistungen für die Bauern und Gemeinschaftsprojekte. Zu unserem ganzheitlichen Ansatz gehört außerdem unter anderem, dass wir Kakaobauern schulen, Qualität und Produktion zu steigern.“ Die Prämie stieg um 20 Prozent auf 240 statt 200 US-Dollar pro Tonne - die höchste festgelegte Prämie aller Zertifizierungssysteme.

Zehn Prozent Kakao in Deutschland sind fair gehandelt

Kooperativen verkaufen durchschnittlich nur 35 bis 40 Prozent ihrer Ernte unter Fairtrade-Bedingungen. Der Rest geht an den konventionellen Markt. „Wer morgen noch Schokolade essen will, muss heute die Bauern angemessen bezahlen“, mahnte Dieter Overath. Die Süßwarenbranche erkennt die Bedrohung ihrer Lieferketten und reagiert. Das zeigt sich auch in den steigenden Absätzen von fairem Kakao, die 2018 ersten Hochrechnungen zufolge um 35 Prozent auf rund 50.000 Tonnen Kakao zunahmen. Der Marktanteil liegt bei zehn Prozent. „Wir sind zuversichtlich, dass unsere Partner die Preiserhöhung mittragen und unsere Arbeit auch zukünftig unterstützen und ausbauen“, so Overath.
Dirk Heim, Bereichsleiter Bio und Nachhaltigkeit Ware bei der Rewe Group, dazu: „Die Rewe Group ist Fairtrade-Partner der ersten Stunde. Wir haben zugesagt, unser komplettes Eigenmarken-Schokoladensortiment auf Fairtrade umzustellen, dazu stehen wir. Es ist uns wichtig, gerade im Kakaosektor dauerhaft zu einer Verbesserung der lokalen Lebensbedin¬gungen beizutragen und die natürlichen Ressourcen zu schonen, nur so können wir den Kakaobedarf verantwortungsvoll, fair und langfristig sichern.“

Neu dabei: Storz formt Schokolade fair und faire Limo prickelt mehr

Diese Ansicht teilt auch ein weiterer Neupartner: Der schwäbische Schokoladenfiguren-Hersteller Storz stellt ab diesem Jahr sein gesamtes Storz-Sortiment auf fairen Kakao um. Weitere starke Kakao-Partner in Deutschland sind Ferrero und Ritter, Lidl, Kaufland und Aldi sowie für Saisonware insbesondere Lambertz und Riegelein.

Bei Zucker prickelt es fair, denn neu auf dem Markt sind Limonaden von Proviant, Fritz und Voelkel. 2018 wurden rund 10.000 Tonnen Fairtrade-Zucker in Deutschland eingesetzt, davon rund die Hälfte als Haushaltszucker, der Rest in Soft Drinks, Eis und Süßwaren.

Potenziale im Kakaoanbau – erkennen, bezahlen, fördern

„Wir von ECAKOG investieren viel, damit unsere Mitglieder die Qualität ihres Kakaos steigern und nachhaltiger anbauen.“, erklärt Adama Diarrassouba, Direktor der Kooperative aus der Elfenbeinküste. „Aber nur, wenn sich ihre Arbeit lohnt, werden die Menschen beim Kakaoanbau bleiben. Viele Jugendliche ziehen weg in die Städte. Deshalb appelliere ich an Handel und Industrie: Stellen Sie um auf Fairtrade-Kakao, wir brauchen höhere Verkäufe, stabile Preise und Prämien!“ Um dies zu unterstützen und Kakaobauern zu existenzsichernden Einkommen zu verhelfen, starten TransFair und das Entwicklungs¬ministerium nun eine strategische Partnerschaft. Neben höheren Einkommen sieht das Pilotprojekt vor, lokale Marktchancen zu verbessern und damit neuer Einkommens¬quellen für die Kleinbauern zu erschließen.

Fairtrade dient als Vorreiter und Tempomacher, alleine Abschaffen wird fairer Handel die Armut nicht, deshalb setzt sich TransFair vermehrt für politische Regulierungen und Projektarbeit ein.

Die neuen Mindestpreise treten zur kommenden Ernte im Oktober 2019 in Kraft.