Graswurzel-Studie: Junge Belizer im Kampf gegen Kinderarbeit

Recherchen von Mitgliedern einer belizischen Fairtrade-Zucker-Kooperative bieten neue Einblicke in die Situation junger Zuckerrohrschneider.

Schild vor einer Zuckerproduzentengemeinschaft © Jose Luis Casuso / CLAC

Das Schild einer Zuckerproduzentengemeinschaft besagt: "Kinder haben das Recht, in sicherer Umgebung zu enstpannen und zu spielen" © Jose Luis Casuso / CLAC

In vielen Regionen weltweit ist ausbeuterische Kinderarbeit keine Seltenheit, sondern fester Bestandteil im Leben der Kinder. Fairtrade hat es sich deshalb zum Anliegen gemacht, in diesen Regionen aktiv zu werden und Arbeiter*innen sowie Produzent*innen im Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit zu unterstützen. Durch fairen Handel und ebensolche Arbeitsbedingungen werden Arbeiter*innen und insbesondere Kinder geschützt.

Studien belegen, das ausbeuterische Kinderarbeit gerade im Zuckersektor nahezu allgegenwärtig ist. In Zentralamerika, besonders in Honduras, Guatemala und Mexiko, steht harte Arbeit in den Zuckerrohrfeldern für viele Kinder auf der Tagesordnung – und die fragmentarische Datenlage in diesem Sektor erschwert es Regierungen und industriellen Stakeholdern erheblich, Maßnahmen zur effektiven Bekämpfung von Kinderarbeit zu ergreifen.

Belizische Zuckerproduzent*innen leisten mit Studie Pionierarbeit

Einige Zuckerproduzenten in Belize jedoch haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Risiken für Kinder, die von ausbeuterischer Kinderarbeit betroffen sind, in ihren eigenen Gemeinden zu identifizieren und dagegen vorzugehen. Die nun vorliegende Studie, die Fairtrade International in Auftrag gegeben und von der Belizischen Zuckerrohr-Produzenten-Vereinigung (BSCFA) durchgeführt wurde, dokumentiert die Erfahrungen von mehr als 300 Zuckerrohrschneidern im Alter von 14 bis 28 Jahren und unterbreitet ein Bündel an praktischen Empfehlungen, die sich sowohl an die Produzent*innen selber, als auch an die gesamte Zuckerindustrie und die belizische Regierung richten.

Die Studie verfolgt einen innovativen Ansatz, bei welchem die Erhebungen von jungen Menschen durchgeführt und analysiert wurden, die als Beobachter im Rahmen des BSCFA-Programms zur Eindämmung und Beseitigung von Risiken der Kinderarbeit arbeiten. Das Programm ist Teil des Youth-inclusive Community-based Monitoring and Remediation (YICBMR)-Systems ist, das Fairtrade International seit 2012 weltweit mit den Fairtrade-Produzentennetzwerken realisiert.

Neuer Ansatz: jugendliche Beobachter im Forschungsteam

Einige der Jugendbeobachter waren selbst ehemalige Zuckerrohrschneider, und ihre Erfahrungen trugen dazu bei, authentische und zielgerichtete Umfragen zu entwerfen, Daten zu sammeln und den Bericht zu verfassen. Mit diesem Ansatz wird Forschung von Jugendlichen über Jugendliche und für Jugendliche betrieben, welche neuartige und möglichst unverfälschte Einblicke gewährt.

Die Studie belegt, dass mehr als die Hälfte der Befragten im Alter von 12 bis 15 Jahren mit dem Zuckerrohrschneiden begonnen hat, wobei 14-Jährige - das Alter, in dem die Kinder eigentlich die Grundschule (ähnlich der Primary School im britischen Schulsystem) abschließen sollten – die größte Gruppe ausmachen. Während aus den Erhebungen nicht hervorgeht, ob die Kinder nur zwecks Erlernung einer potenziell einträglichen Fertigkeit mit dem Zuckerrohrschneiden begannen, wird jedoch deutlich, dass die Arbeit über Generationen innerhalb der Familien weitergegeben wird und meist eine von Männern ausgeübte Tätigkeit ist.

Rechtliche Lücke zwischen belizischem Recht und ILO-Normen

In Belize dürfen Kinder ab 14 Jahren als Zuckerrohrschneider arbeiten – jedoch verbieten die Fairtrade-Standards die Beschäftigung von Kindern unter 15 Jahren sowie die Arbeit von Kindern unter 18 Jahren für alle Tätigkeiten, die nach dem Übereinkommen 182 der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) als gefährliche Kinderarbeit eingestuft werden könnten. Da Zuckerrohr mit Macheten geschnitten wird, die von der ILO als gefährliches Werkzeug eingestuft wurde, stellt das Zuckerrohrschneiden eine gefährliche Form der Kinderarbeit dar und ist daher nicht zulässig.

Zuckerrohrschneiden ist für viele die Haupteinnahmequelle

99 Prozent der für die Studie befragten Zuckerrohrschneider können mindestens eine Grundausbildung bis zum Alter von 14 Jahren vorweisen; einige haben zudem eine weiterführende Schule abgeschlossen und geringer Anteil hat darüber hinaus einen Bachelor-Abschluss. In Anbetracht der fehlenden Arbeitsmöglichkeiten für Jugendliche, um sich oder ihre Familien zu ernähren, ist das Zuckerrohrschneiden die Haupteinnahmequelle.

Die Befragten berichteten, dass sie nach dem nationalen Mindestlohn bezahlt werden, aber mehr als die Hälfte gab an, dass sie das Schneiden von Zuckerrohr nicht als „angemessenen Existenzgrundlage" betrachten.

Forscher empfehlen umfassende Aufklärung auf allen Ebenen und Schutzausrüstung

Die elementarsten Empfehlungen, die von den Forschern vorgeschlagen und von allen drei Fairtrade-Zuckerrohrproduzentenorganisationen in Belize gebilligt wurden, umfassen die Ausweitung der Schulungen zu den Gefahren ausbeuterischer Kinderarbeit (sowohl für Produzent*innen als auch für die Kinder selbst) sowie die Förderung des umfassenden Einsatzes von persönlicher Schutzausrüstung.

Die Produzent*innen sollen laut weiterer Empfehlungen ihr Bewusstsein für gefährliche Kinderarbeit in der gesamten Zuckerindustrie schärfen. So gilt es, einen einschlägigen Vorschlag zur Vorlage bei der belizischen Regierung auszuarbeiten. Zudem fordern die Verfasser der Empfehlungen die nationale Regierung auf, die rechtliche Lücke zwischen dem bestehenden Mindestalter für das Zuckerrohrschneiden und der ILO-Konvention zu schließen.

Ansatz, der jugendlichen Bedürfnissen Gehör verschafft

Dieser neue Ansatz der Studie zeigt, wie kleine Zuckerproduzentenorganisationen in Belize eine führende Rolle im Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit übernehmen, indem mithilfe eines jugendlichen Teams menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Jugendliche erforscht und Vorschläge von Jugendlichen selbst formuliert werden. Sie setzen sich für die Stärkung von Menschenrechten ein, indem sie vom unteren Ende der Lieferkette aus und in Zusammenarbeit mit Stakeholdern aus Industrie und der Regierung nach oben hin Wirkung zeigen.

Auch in Zukunft wird sich Fairtrade mit allen verfügbaren Mitteln dafür einsetzen, ausbeuterische Kinderarbeit zu eliminieren und bessere Arbeitsbedingungen und Perspektiven für junge Arbeiter*innen innerhalb ihrer Gemeinschaft zu konstituieren.