Eine Frau, die den Ton angibt

Vor 20 Jahren startete Agnes Chebii als einfache Arbeiterin auf einer Rosenfarm in ihr Berufsleben. Mittlerweile ist die Mutter von vier Kindern Chefin vieler Arbeiterinnen und Arbeiter. Was früher als undenkbar galt, ist heute Alltag – dank Fairtrade.

Agnes Chebii ist eine starke Frau mit vielen Talenten. Die 41-Jährige arbeitet nicht nur seit 20 Jahren auf der Blumenfarm Karen Roses in Kenia, die mittlerweile Fairtrade-zertifiziert ist. Agnes ist außerdem Mutter von vier Kindern, leitet ein Team von 30 Arbeiterinnen und Arbeitern, ist Vorsitzende des Fairtrade-Gender-Komitees und organisiert nebenbei auch den Chor der Blumenfarm. Als sie 1998 begann auf der Farm zu arbeiten, hätte sie nie zu träumen gewagt, dass sie als Frau einmal solche Verantwortung übernehmen darf. Sie hat miterlebt, welchen Unterschied Fairtrade macht und wie sich die Arbeit auf der Farm nach der Zertifizierung veränderte.

Bildung – der Schlüssel zum Erfolg

Während früher vor allem die männlichen Kollegen eine Beförderung erhielten, hat heute die gesamte Belegschaft die Möglichkeit aufzusteigen. Freie Stellen werden öffentlich ausgeschrieben und jede Mitarbeiterin sowie jeder Mitarbeiter kann sich darauf bewerben. So begann auch die Karriere von Agnes Chebii. Finanziert durch Gelder der Fairtrade-Prämie konnte sie an Trainings teilnehmen und sich stetig weiterbilden. Neben Arbeitsschutz- und Managementkursen besuchte sie auch Fortbildungen zum Thema Gender – was ihr den nächsten Schritt ermöglichte: Sie wurde Vorsitzende des Gender-Komitees bei Karen Roses.

Klare Grenzen gegen Übergriffe

Viele Kooperativen und Betriebe im Fairtrade-System gründen Gender-Komitees, um die in den Fairtrade-Standards vorgeschriebene Gleichstellung der Geschlechter zu erfüllen und auf diese Weise Frauen zu fördern. „Früher“, so berichtet Agnes, „waren sexuelle Übergriffe gegen Arbeiterinnen an der Tagesordnung – sowohl zu Hause als auch auf der Farm. Dank der Geschlechterpolitik von Fairtrade hat sich das geändert.“ Heute prüfen die Mitglieder des Gender-Komitees an sie herangetragene Vorfälle, sprechen mit allen Beteiligten und leiten, falls sich die Vorwürfe bestätigen, entsprechende Schritte ein – bis hin zur sofortigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. „Die Geschäftsführung der Farm unterstützt uns sehr bei Vorfällen dieser Art, denn wenn es sein muss, gehen wir mit dem Fall auch eine Ebene höher, bis zum Vorstand“, berichtet Agnes Chebii stolz.      

Neues Selbstverständnis der Frauen

Agnes Chebii und viele ihrer Kolleginnen haben die Chancen ergriffen, die sich ihr nach der Fairtrade-Zertifizierung der Farm boten. Das Leben der Frauen auf, aber auch im näheren Umkreis der Rosenfarm hat sich spürbar verändert. Wo sich vor der Fairtrade-Zertifizierung Frauen dem althergebrachten diskriminierenden Rollenverständnis fügten, stehen sie heute immer selbstbewusster für ihre Rechte ein. „Die Frauen unserer Gemeinschaft haben verstanden, dass auch sie alles tun können, was Männer tun. Sehen Sie mich an: Früher war ich eine einfache Rosenarbeiterin, heute bin ich gut ausgebildet und arbeite in einer führenden Position.“

Solide Zukunftsaussichten dank der Fairtrade-Prämie

Agnes größter Stolz sind ihre vier Kinder. Mithilfe der Fairtrade-Prämie konnten alle eine gute Grundschule besuchen. Ihr ältester Sohn Evans studiert sogar an der Mount Kenya University Journalismus – was ohne ein mittels Fairtrade-Prämien finanziertes Stipendium nicht möglich gewesen wäre. Wie die Prämiengelder verwendet werden, darüber entscheidet das gewählte Prämien-Komitee von Karen Roses in einem demokratischen Prozess. Mit Prämien wurde unter anderem auch der Bau von Häusern für Arbeiterinnen und Arbeiter finanziert. Ihr Haus befindet sich am Ende eines Hügels in einer kleinen Siedlung in der Nähe der Blumenfarm. Mithilfe der Fairtrade-Prämie konnte sie sich dafür ein solides Eisendach leisten, durch das es nicht mehr durchregnet. 

„Singing to the tune of Fairtrade“

Nicht nur während der Arbeit, auch in ihrer Freizeit engagiert sich Agnes Chebii für das gute Zusammenleben in ihrer Gemeinschaft. So leitet sie den „Karen-Roses-Chor“, in dem Arbeiterinnen und Arbeiter der Farm gemeinsam ihrer Leidenschaft – dem Singen – nachgehen. Auch der Chor sowie das Gebäude, in dem geprobt wird, wurden durch Fairtrade-Prämiengelder ermöglicht. Die Aufschrift des T-Shirts, das Agnes zur Chorprobe trägt, sagt mehr als tausend Worte, der Spruch könnte als Überschrift für ihre und die Entwicklung der gesamten Belegschaft dienen: „Singing to the tune of Fairtrade – Singen im Einklang mit dem fairen Handel“.

Frauen bei der Projektarbeit