Reaktion auf den TAZ-Artikel "Für Greenwashing gefeiert"

Wir bedauern sehr, dass sich der Autor der Meinung des Schreibens der 3. Welt Saar und der saarländischen Abordnung der NGG scheinbar ungeprüft Folge leistete – und das bereits mit der Überschrift. Ebenso bedauern wir, dass sich der Autor und die Taz-Redaktion nicht näher mit uns auseinandergesetzt haben – leider haben wir auf unsere Email keine weitere Rückmeldung mehr von Ihnen erhalten – oder die Vorwürfe der Herausgeber durch Dritte haben prüfen lassen. In den nachfolgenden Absätzen legen wir dar, warum es mehr als bedenkenswert wäre, diesen Artikel in der aktuellen Form von der taz-Website zu nehmen oder zu überarbeiten.

Im Schreiben von Aktion 3. Welt Saar und der saarländischen Abordnung der NGG werden weder Quellen/Nachweise für Behauptungen genannt, Begriffe falsch verwendet, Sachverhalte falsch dargestellt, sodass aktuelle und selbst schon Jahre zurückliegende wesentliche Entwicklungsschritte des fairen Handels völlig ausgeklammert werden.

Exemplarisch seien zwei Punkte erwähnt: das Schreiben kritisiert einerseits, das Unternehmen Starbucks sei zertifiziert, und sei, so der Text mit „Transfair“ durch das „bekannteste Fair-Trade-Siegel“ ausgezeichnet. Allein diese beiden „kleinen“ Aspekte zeigen, dass den Autoren offenbar ein grundsätzliches Verständnis und Grundlagenkenntnisse des fairen Handels und Fairtrade fehlen. Nicht nur, dass es das „TransFair-Siegel“ bereits seit 2003 nicht mehr gibt; mit dem Fairtrade-Siegel werden überdies niemals Unternehmen ausgezeichnet, sondern Rohstoffe und Produkte, die nach den internationalen Fairtrade-Standards gehandelt wurden.

Der faire Handel wird aus einer „Nordsicht“ heraus betrachtet und in einer Form kritisiert, über die man nur verwundert sein kann.

  • Wie bereits erwähnt, ist mit dem Nord-Süd-Netz des DGB Bildungswerk eine Gewerkschaft Mitglied von TransFair
  • In seinen Politischen Forderungen positioniert sich TransFair klar zu den politischen Rahmenbedingungen, die für mehr fairen Handel notwendig sind. Es lohnt ein Blick bspw. auf die Forderungen zu SDG 12 „Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster“ an.
  • Die Fairtrade-Standards schreiben unter anderem Organisations- & Versammlungsfreiheit vor z.B. in Gewerkschaften
  • Fairtrade International ist eine internationale Nichtregierungsorganisation, deren Mitglieder wiederum ausschließlich stimmberechtigte Nichtregierungsorganisationen sind. Einerseits handelt es sich um Nationale Fairtrade-Organisationen (wie z.B. TransFair e.V.) und sogenannte Marketing-Organisationen (wie z.B. Fairtrade Brazil); mittlerweile kommen sechs dieser Organisationen aus dem Globalen Süden. Andererseits handelt es sich um die gewählten Vertreter der derzeit ca. 1300 Fairtrade-zertifizierten Produzentenorganisationen. Letztere haben gemäß der Vereinssatzung von Fairtrade International in allen Gremien 50 Prozent der Stimmrechte. Fairtrade ist damit de facto eine Organisation, deren Tätigkeit mit relativer Mehrheit durch Interessensvertreter des Globalen Südens bestimmt wird. Bisher sehen die Produzentenorganisationen das Thema Arbeitnehmerechte im Globalen Norden nicht als ein vorrangiges Arbeitsfeld an.
  • Das bedeutet nicht, das sich Fairtrade dazu nicht positioniert. Wir verweisen auf den Händler-Standard, der entlang der gesamten Handelskette bis zum Endprodukte-Hersteller gilt – damit auch im globalen Norden - und dort sehr wohl Arbeitnehmerrechte behandelt, z.B. die Einhaltung von ILO-Konventionen.
  • Die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften auf internationaler Ebene ist sehr rege: bei der Entwicklung und den Überarbeitungen von Standards (bspw. dem Hired Labour Standard, dem Standard for Textile Production), in verschiedenen Ansätzen und Projekten zur Verbesserung von Löhnen auf Plantagen in verschiedenen Anbauländern.
  • Dass der Begriff „fair gehandelt“ nicht geschützt ist, spricht umso mehr für international konsistente und transparente Standards und unabhängige Kontrolle. Beides sind Punkte, die Fairtrade erfüllt.

TransFair e.V. wurde 1992 gegründet, um fair gehandelte Produkte im Handel erkennbar und breit verfügbar zu machen und durch fairere Handelsbedingungen die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Produzentenorganisationen in den Anbauländern des globalen Südens zu verbessern.
Viele der Produzentenorganisationen, von denen Fair-Handels-Importeure wie die Gepa ihre Rohstoffe beziehen, sind Fairtrade-zertifiziert.

Durch unabhängige Studien wurde belegt, dass relevante positive Wirkungen des fairen Handels mit dem Volumen von unter Fairhandels-Bedingungen verkauften Produkten korrelieren. Durch höhere Fairtrade-Verkäufe kann nachweislich eine stärkere Wirkung erzielt werden, bspw. durch höhere Fairtrade-Prämiensummen sowie bessere Planungssicherheit durch stabile Mindestpreise.
Dieser Zusammenhang ist u.a. auch maßgeblicher Teil der Begründung, warum der faire Handel sich nicht auf Weltläden beschränken kann, wenn er im messbaren Umfang positive Veränderungen für Produzenten und im Handel herbeiführen will. Dafür sind die dort aktuellen und auch potentiell erzielbaren Absatzvolumen fair gehandelter Waren zu gering – was aber keinen Abbruch daran tut, dass Weltläden wichtige Rollen in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit, bei Kampagnen etc. haben und ein wesentlicher Akteur des fairen Handels sind und bleiben.

Die Kritik, den fairen Handel in den Massenmarkt zu bringen, könnte man auch so verstehen, dass man die Debatte um die Kernforderungen von Produzentenorganisationen – nämlich nach besserem Marktzugang und höheren Verkäufen - nicht ernst zu nehmen braucht.

Last but not least der eigentliche Grund des Schreibens von Aktion 3. Welt Saar und NGG: das Bestreben von SPD und CDU, das Saarland zum Fair-Handels-Bundesland zu entwickeln. Die Kampagne Fairtrade-Towns, an der inzwischen gut 500 Kommunen bundesweit teilnehmen, zeigt eindrücklich, dass sich verschiedenste Akteure auf kommunaler (und mehr und mehr auf landesweiter) Ebene für den fairen Handel vernetzen und gemeinsam sowohl eine sozial-ökologische öffentliche Beschaffung vorantreiben können, als auch das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum in ihren Kommunen. Dass Kampagnen wie diese zu einem Bewusstseinswandel in der Gesellschaft beigetragen hat, bestätigte Anfang des Jahres eine Wirkungsstudie des Ceval-Instituts Saarbrücken.

Dieses Schreiben stellt ausführlicher dar, dass und auch warum wir uns der Kritik des Schreibens der Aktion 3. Welt Saar und der NGG Saar ausdrücklich verwehren.

Wir sind außerdem der Meinung: Überschrift und Darstellungsweise der Ansichten im Artikel auf der taz-Website sollten Sie im Sinne des guten Rufs der Taz überdenken.